Die D&O-Versicherungsdeckung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Wirecard AG, Markus Braun, umfasst bei kritischer Medienberichterstattung und weil für ihn karrierebeeinträchtigende Reputationsschäden drohen, auch vorläufigen Deckungsschutz für Public-Relations-Kosten. Inbegriffen sind hier die Beauftragungskosten einer PR-Agentur und presserechtlich spezialisierter Rechtsanwälte. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit seinem Urteil vom 05.11.2021 im Eilverfahren die betreffende Versicherungsgesellschaft – übereinstimmenden Medienberichten zufolge handelt es sich um Chubb – insoweit zu vorläufigem Deckungsschutz verurteilt.
Zahlreiche kritische Medienberichte
Gegen Braun wird ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft München unter anderem wegen des Verdachts des bandenmäßigen Betrugs, der Bilanzfälschung, Marktmanipulation und Verstößen gegen das WpHG geführt. Er befindet sich seit Sommer 2020 in Untersuchungshaft und weist die erhobenen Vorwürfe zurück. Die im Ermittlungsverfahren erhobenen Vorwürfe sind jedoch Gegenstand zahlreicher kritischer Medienberichte. Braun beauftragte daher eine auf Presserecht spezialisierte Kanzlei sowie eine Presseagentur. Die dadurch anfallenden Kosten verlangt er von der beklagten Versicherung ersetzt. Diese lehnte die Deckung aber bisher unter anderem mit der Begründung ab, dass PR-Kosten nur in Bezug auf eine Berichterstattung über die zivilrechtliche Inanspruchnahme des Klägers, nicht aber in Bezug auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren zu ersetzen seien.
Das Landgericht hat den auf Gewährung vorläufigen Deckungsschutzes für PR-Kosten gerichteten Eilantrag durch sein Urteil vom 21.05.2021 zurückgewiesen.
OLG: Versichertem wird Reputationsschutz zugesagt
Die hiergegen gerichtete Berufung hatte nun vor dem OLG aber überwiegend Erfolg: Gemäß den Versicherungsbedingungen seien PR-Kosten gedeckt, wenn einer versicherten Person „durch kritische Medienberichterstattung über einen versicherten Haftpflicht-Versicherungsfall ein karrierebeeinträchtigender Reputationsschaden“ drohe, so das OLG. Es komme nicht darauf an, ob die Berichterstattung sich mit dem Versicherungsfall einer konkreten zivilrechtlichen Inanspruchnahme (Haftpflicht-Versicherungsfall) befasse oder sich auf den durch das Ermittlungsverfahren ausgelösten Versicherungsfall (Verfahrensrechtsschutz-Versicherungsfall) beziehe. Bei verständiger Auslegung der Versicherungsbedingungen solle eben gerade Schutz vor existenzieller Beschädigung des Ansehens im Zusammenhang mit strafrechtlichen Vorwürfen gewährt werden. Soweit die Berichterstattung nicht ohnehin im Rahmen zulässiger Verdachtsberichterstattung hinzunehmen sei und durch die Einschaltung einer PR-Agentur oder durch gerichtliche Maßnahmen abgewendet oder gemindert werden könne, werde dem Versicherten ausdrücklich umfassender Reputationsschutz zugesagt.
PR-Kosten sind gedeckt
Damit könne Braun Deckung der erforderlichen und angemessenen Kosten verlangen, die durch die Beauftragung der spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei sowie der PR-Agentur entstünden. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund des zugesagten vorläufigen Deckungsschutzes, zu dem der Senat bereits in seinem Urteil vom 07.07.2021 eine Entscheidung getroffen hatte (AssCompact berichtete). Ein Zuwarten auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens sei nicht zumutbar, da etwaige Rechtsverletzungen kurzfristige Reaktionen erforderten, so das OLG Frankfurt.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar. (ad)
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.11.2021 – 7 U 96/21
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