Normalerweise stellen vertragliche Vereinbarungen die Grundlage für Stornohaftungszeiten zwischen Versicherer und Vermittler dar. Unter welchen Gesichtspunkten sich trotz ausdrücklich geregelten Stornohaftungszeiten längere Stornohaftungszeiten ergeben können, hatte jetzt das KG Berlin in seinem Beschluss vom 04.06.2021 (Az.: 2 U 5/18) zu entscheiden.
Stornohaftungszeit umstritten
In dem Verfahren begehrte eine Vertriebsgesellschaft für Versicherungen nach der Beendigung des Handelsvertretervertrages die Rückzahlung unverdienter Provisionsvorschüsse. Entscheidend war dabei auch die Frage, ob die vertraglich vereinbarte Stornohaftungszeit von zwölf Monaten oder eine Stornohaftungszeit von fünf Jahren Anwendung findet.
Versicherungsvertreter widerspricht zunächst
Unstreitig war zunächst nur eine Stornohaftungszeit von zwölf Monaten vereinbart worden. Mit Anhebung der gesetzlichen Stornohaftungszeiten habe die Vertriebsgesellschaft jedoch die Anpassung der Stornohaftungszeiten angeboten. Zwar widersprach der Versicherungsvertreter einer solchen Anpassung der Stornohaftungszeit. Jedoch erteilte die Vertriebsgesellschaft den Hinweis, dass Neuvermittlungen lediglich entsprechend der neuen gesetzlichen Regelung provisioniert werden. Daraufhin wurde die Vertragsbeziehung zwischen der Vertriebsgesellschaft und dem Versicherungsvertreter fortgesetzt.
Neuere Regelungen verdrängen bestehende Vereinbarungen
Das KG Berlin ging in seiner Entscheidung davon aus, dass die neuen gesetzlichen Regelungen zur Stornohaftungszeit bestehende Vereinbarungen zu abweichenden Stornohaftzeiten verdrängen. Es bedurfte daher nach Ansicht des Gerichts keiner Vertragsanpassung. Die längeren Stornohaftungszeiten folgten stattdessen unmittelbar aus der gesetzlichen Änderung. Für den Versicherungsvertreter ergab sich hieraus die Konsequenz, dass er deutlich länger als bisher für erhaltene Provisionsvorschüsse haften musste.
Fazit
Die Entscheidung aus Berlin zeigt, wie schnell es trotz klarem Widerspruch des Versicherungsvertreters gegen die Erhöhung der Stornohaftungszeiten dennoch zu deren Erhöhung kommen kann. Werden Versicherungsvertreter also mit Vertragsänderungen konfrontiert, sollten sie durchaus nicht nur ihre ausdrücklichen Erklärungen – mündlich wie schriftlich – berücksichtigen. Im Zweifel empfiehlt es sich, anwaltlichen Rat einzuholen, wenn man die Änderung des Handelsvertretervertrages verhindern will.
Über den Autor
Jens Reichow ist Rechtsanwalt und Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Die Kanzlei hat sich unter anderem auf den Bereich Handelsvertreterrecht spezialisiert.
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