Herr Billerbeck, Ihnen scheint zu gelingen, was nicht mehr so vielen Maklerunternehmen gelingt: Das Unternehmen langfristig innerhalb der Familie weiterzuführen. Gibt es dafür eine Art Rezept?

Thomas Billerbeck: Ehrlich gesagt, das weiß ich nicht. Als Vater möchte man natürlich für das eigene Kind das Beste. Eine präferierte Übernahme des elterlichen Betriebes muss das aber nicht bedeuten. Daher habe ich mich bewusst nicht darauf festgelegt, sondern alle Möglichkeiten geboten. Aus meiner Sicht sollte die Entscheidung aus freien Stücken erfolgen, als Vater kann man nur ein wenig fördernd begleiten.

Eileen wird nun als vierte Generation das Unternehmen weiterführen und ich habe mich oft gefragt, wie es bei meinem Vater und mir war, aber das ist über 35 Jahre her. Einen Vorteil sehe ich darin, dass Eileen in einer Unternehmerfamilie aufgewachsen ist und schon im Kindesalter bei Veranstaltungen, zum Beispiel des BVK, dabei war. Somit konnte sie schon gut einschätzen, was das Leben in der Unternehmerwelt bedeutet. Als sie das Abitur abgeschlossen hatte, ging es ihr wie vielen: keine klare berufliche Orientierung zu haben. Daher versuchte ich sie in Richtung BWL zu leiten, um später eine mögliche Option zu haben. Die Übernahme habe ich ihr gegenüber nie privilegiert, jedoch aus Familientradition um ein dreimonatiges Praktikum in unserem Unternehmen gebeten. Als sie nach dem Bachelor ein Jahr Auszeit für die Berufs­findungswahl nahm und Verschiedenes ausprobiert hatte, kam sie dann auch zu uns ins Unternehmen und entschied aus freien Stücken: „Das möchte ich fortsetzen.“ Trotzdem ging sie zunächst zurück nach Berlin, um ihren Master in Wirtschaftspsychologie abzuschließen. An ihrer Entscheidung hielt sie fest.

Etwas Hilfe bekam ich von einem befreundeten Kollegen, den ich mit seinem Sohn auf einer BDVM-Veranstaltung traf und der mir voller Freude von der Nachfolge berichtete. Ein Jahr später war sein Sohn nicht mehr dabei, er hatte offenbar andere Interessen entdeckt. Ein weiteres Jahr später kam er wieder voller Freude mit seinem Sohn. Heute setzt dieser das Lebenswerk des Vaters fort. Natürlich erkundigte ich mich, wie es zu dem Sinneswandel kam. Er gab mir einen entscheidenden Tipp, der auch bei uns funktionierte.

Sie sind noch viel zu jung für eine Übergabe, aber dürfen wir schon von einer Art Nachfolgeregelung reden?

Thomas Billerbeck: Danke für das Kompliment, ja, wir leiten die Nachfolgeregelung ganz konkret ein. Begonnen haben wir mit der ersten Übertragung von Gesellschaftsanteilen, die wir in den nächsten Jahren Zug um Zug fortsetzen werden. Hierbei sind es natürlich auch schenkungsteuerliche Aspekte, die es im Auge zu behalten gibt. Unser Plan steht: Am 10.03.2026 werden wir im Rahmen einer riesigen Party unser 100-jähriges Familien-Firmenjubiläum feiern und ich werde aus der Geschäftsführung mit 62 Jahren ausscheiden. Mein Großvater hatte in der wechselhaften Familiengeschichte am 10.03.1926 seinen Agenturvertrag bei der ALBINGIA Versicherung AG unterschrieben, mein Vater folgte 1951, ich dann 1987 und führte die Generalagenturfolge dann am 01.07.2004 zur heutigen Maklerfirma. Sicher werde ich danach, solange geduldet, noch die Geschäfte weiter begleiten, aber die Verantwortung soll dann vollständig auf Eileen übergehen.

Frau Billerbeck, seit April 2022 sind Sie neben Ihrem Vater Geschäftsführerin.

Wie gut haben Sie sich das überlegt und wie fühlt es sich nun an?

Eileen Billerbeck: Die Nachfolge anzutreten, habe ich mir gut überlegt und ich muss gestehen, ich konnte mir nichts anderes vorstellen. Unternehmerin zu sein, trifft genau meine Passion und entspricht meinen Fähigkeiten. Dass ich so schnell, nach zehn Monaten im Unternehmen, die Rolle der Geschäftsführerin übernommen habe, kam etwas spontan aufgrund des Sabbaticals meines Vaters von zwei Monaten und es fühlt sich in manchen Momenten überwältigend an.

Gibt es gleich mal was, was Sie ändern wollen? Wo liegen Sie beide so gar nicht auf einer Linie?

Eileen Billerbeck: Es gibt viele Dinge, die ich bereits im vergangenen Jahr, direkt nach meinem Einstieg, geändert habe. Dazu gehören unser Internetauftritt, unser gesamtes Marketing, die Herangehensweise, wie wir neue Mitarbeiter gewinnen und auswählen, unsere Räumlichkeiten; und auch die Unternehmenskultur habe ich bereits in Teilen verändert.

Wo wir gar nicht auf einer Linie sind, ist schwer zu sagen. Es gibt immer mal Punkte, bei denen wir uns uneinig sind und verschiedene Meinungen haben, allerdings würde ich nicht sagen, dass es immer die gleichen Themengebiete sind. Wir kommen aus unterschiedlichen Generationen mit unterschiedlichen Vorstellungen, die manchmal aufeinanderstoßen. Aber genau das macht uns als Führungsduo unschlagbar, weil verschiedene Perspektiven in unsere Entscheidungen einfließen.

Nun entscheiden sich immer noch nicht so viele Frauen für den Maklerberuf. Zuletzt haben wir zu dem Thema wieder ein paar Interviews geführt. Sie sind jung, Frau, Maklerin und Unternehmerin. Welche Erfahrungen machen Sie – mit Kunden, Versicherern und Ihrem eigenen Team?

Eileen Billerbeck: Die Erfahrungen in meinem eigenen Team sind super! Vor dem Eintritt habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie ich als so junge Führungskraft akzeptiert werden würde. Heute kann ich sagen: Es funktioniert. Ich gehe offen damit um, dass ich gewisse Dinge, vor allem versicherungstechnische, noch nicht wissen kann und bitte dort die Mitarbeiter um Hilfe. Andererseits gelingt es mir, Entscheidungen zu treffen, die die Mitarbeiter nicht treffen wollen, und Kunden mit meinem Auftritt zu überzeugen, wodurch ich mir den Respekt meines Teams erarbeite. Bei Versicherern und Kunden falle ich als junge Frau auf. Oft bin ich sogar die einzige Frau. Dies nutze ich zu meinem Vorteil und bleibe den Personen im Gedächtnis.

Herr Billerbeck, in Ihrem Team überwiegt der Frauenanteil. Eine bewusste Entscheidung?

Thomas Billerbeck: Nein, gerne hätten wir mehr Männer im Team und meine „Damen“ wünschen sich das auch. Aber vermutlich liegt es an drei Punkten, warum unser Frauenanteil so hoch ist. Erstens: Unser Beruf eignet sich durch hohe Flexibilität hinsichtlich der Arbeitszeit schon immer für Erziehende und für Männer ist oft die berufliche Weiterentwicklung nicht fachlich, sondern von Personalverantwortung geprägt. Und da Hannover mit zu einem der größten Versicherungsstandorte Deutschlands zählt, konkurrieren wir als Arbeitgeber immer mit den Versicherern. Zweitens habe ich viele Mitarbeiterinnen selbst ausgebildet und gerade junge Frauen sind in der Entwicklung oft verantwortungsbewusster und etwas weiter als männliche Berufseinsteiger. Und drittens wird es wohl auch an mir liegen.

Welche Rolle spielen denn auch in einem Maklerunternehmen wie dem Ihren die sogenannten neuen Arbeitswelten? Also New Work, Home-Office, flexible Arbeitszeiten?

Thomas Billerbeck: An diesen Themen kommen wir überhaupt nicht mehr vorbei. Wir bieten derzeit zwei Tage mobiles Arbeiten, Gleitzeit, Gleittage und Urlaubszukauf. Jedoch nehmen nicht alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen das vollständig wahr, da ein gutes Betriebsklima in familiärer Atmosphäre, das Interesse am Büro und den Kollegen attraktiver sein kann, als allein zu Hause zu sitzen. Und genau darauf setzen wir mit einer Vielzahl von innerbetrieblichen Maßnahmen. Dank modernster Technik kann aber jeder Mitarbeiter an jedem Ort der Welt mit seinem MacBook arbeiten. Selbst die Auszubildenden erhalten dieses an ihrem ersten Arbeitstag. Für New Work ist nun meine Tochter verantwortlich und bringt viele neue Ideen und Erlerntes aus ihrem Studium mit. Insofern lerne ich jetzt auch wieder vieles dazu, zum Beispiel das Arbeiten mit dem Kanban-Board. Zugegeben: Es war mir schon ein wenig fremd geworden, wieder Dinge auf Zettel zu schreiben, sie an die Wand zu hängen und dann wieder wegzuwerfen.

Werden damit die Chancen, Nachwuchs für den Maklerberuf zu finden, steigen?

Thomas Billerbeck: Nachwuchs für den Maklerberuf zu finden, ist eine der größten Herausforderungen der Zukunft. Ein moderner Arbeitgeber zu sein, der die Mitarbeiter in den Mittelpunkt stellt, ist dafür entscheidend. Wir werden weiter alles daransetzen, konkurrenzfähig zu den Versicherern zu sein, und ich persönlich finde die Arbeit bei einem Makler und einem Familienunternehmen wie unserem sehr spannend für Nachwuchskräfte. Bei uns können Mitarbeiter ihre Arbeitsprozesse mitbestimmen und flexibel anpassen ohne Bürokratien.

Wir kennen Sie, Herr Billerbeck, aus diversen Ämtern bei der IHK oder beim BVK. Zudem ist Ihr Thema die digitale Maklerkommunikation mit Versicherern. Kommt die Branche hier nun allmählich auf den Punkt?

Thomas Billerbeck: In meiner Rolle als Vereinsvorstandsvorsitzender des Single Sign-On e.V. bis 2018 war ich lange mit dem Thema tief befasst und habe sicher einiges bewegt. Heute, vier Jahre später und aus der Sicht als Makler und User, bin ich doch ein wenig enttäuscht, was wir in den letzten 14 Jahren verpasst haben. Eine simple und einfach zu administrierende Vernetzung zwischen Maklern und Versicherern ist bis heute kein Standard. Vermutlich liegt es an der heterogenen und konkurrierenden Welt des Marktes. Sicher ist einiges erreicht. Aber das, von dem ich geträumt habe und für das ich damals auch angetreten bin, ist keine Realität geworden.

Frau Billerbeck, Ihre Generation ist mit der digitalen Welt aufgewachsen. Wie sehen Sie auf den aktuellen Stand in der Versicherungsbranche und vor allem: Was können Sie sich in Zukunft vorstellen?

Eileen Billerbeck: Durch unsere Stellung als Intermediär haben wir so viele Parteien, mit denen wir zusammenarbeiten, und es gibt keinen Standard, auf den sich alle einigen können. Das ist manchmal sehr frustrierend. In unserem Unternehmensalltag und der Zusammenarbeit mit Mandanten gehen wir ausschließlich digitale Wege. Mit einer Ausnahme: die Kundenberatung. Dort setzen wir auf das persönliche Vor-Ort-Gespräch. Ansonsten testen wir in der Zusammenarbeit mit unseren Mandanten immer wieder neue Techniken und auch im Marketing haben wir unsere Zeitungsanzeigen eingestellt und setzen jetzt auf LinkedIn und Co. Für die Zukunft sehe ich die Automatisierung unserer Prozesse als eines meiner Kernthemen.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 07/2022 und in unserem ePaper.

Bild: © Billerbeck GmbH
Source: ImmoCompact