Ein Artikel von Ralf Wargener, Geschäftsführer von WARGENER LIVE, Experte für Unternehmens- und Führungskultur
In unserer immer schneller werdenden (Arbeits-)Welt, in der jetzt mehr Selbstorganisation und -verantwortung und vielleicht auch Improvisation gefragt ist, ist die Belastung für jeden Einzelnen noch einmal bis an die Grenzen des Machbaren gestiegen. Manchmal geht sie auch darüber hinaus. Die Corona-Pandemie tut ihr Übriges dazu. Doch es gab eben auch bereits vor der Krise Herausforderungen, die dauerhaft Fragen bei den Unternehmern in der Finanz- und Versicherungsvermittlung aufwerfen.
1. Digitalisierung und Kommunikation
Im Umfeld fortschreitender Digitalisierung und technologischen Fortschritts steigen die Kundenerwartungen. Das gilt für die ständige Verfügbarkeit und eine schnelle Kommunikation auf allen Kanälen genauso wie für die Preissensibilität bei einem gleichzeitig sehr hohen Anspruch an die Beratungsqualität. Die Frage an Sie als Unternehmer lautet: Wie erfüllen Sie die Erwartungen Ihrer Kunden?
2. Mangel an Fachkräften
Durch Mangel an fachlich qualifizierten Kräften muss immer mehr Arbeit mit immer weniger Köpfen immer effizienter bewerkstelligt werden. Das Ganze läuft jetzt schon zu einem guten Teil online und ohne persönlichen Kontakt. Die Frage lautet hier: Wie finden (und binden!) Sie Ihre Mitarbeitenden?
3. Regulierung und Bürokratisierung
Von der Bürokratisierung in den Vermittlerbetrieben aufgrund zunehmender Regulierung und den Aktivitäten des Gesetzgebers bezüglich einer Begrenzung der Provisionen auf bestimmte Produkte wollen wir an der Stelle gar nicht sprechen. Die Komplexität vor allem im Maklermarkt nimmt stetig zu und macht eine rechtssichere Kundenberatung sehr aufwendig. Die Frage: Wie stellen Sie Ihre Wirtschaftlichkeit sicher?
Jeder Vermittler braucht Antworten auf diese Fragen und eine Strategie, um seine Ziele zu erreichen. Doch was nützt die beste Strategie, wenn die Mitarbeitenden nicht mitgehen (können)?
Die Antwort: Die richtige Unternehmenskultur
Wir brauchen eben auch die richtige Kultur im Unternehmen. Erst diese erzeugt die Bereitschaft von Menschen, die notwendigen Veränderungen anzunehmen. Sie vermittelt den eigentlichen Sinn, fördert die Übernahme von Eigenverantwortung und bildet schließlich eine starke Basis für Leistung und Erfolg.
Sehr treffend formulierte der bekannte US-amerikanische Ökonom Peter Drucker bereits vor achtzig Jahren die Kraft einer positiven Unternehmenskultur: „Culture eats strategy for breakfast!“
Eine werteorientierte Kultur schafft emotionale Bindung bei Mitarbeitenden (und übrigens auch Kunden). Regelmäßige Studien belegen: Emotional gebundene Mitarbeiter sind produktiver, service- und qualitätsorientierter, denken wirtschaftlicher und empfehlen ihren Arbeitgeber häufiger weiter.
Kultur ist messbar
Alles dreht sich folglich bei Unternehmern um diese eine Frage: Wie machen Sie Ihr Unternehmen robust und stabil, um dauerhaft heutige und zukünftige Herausforderungen und Veränderungen erfolgreich zu bestehen?
Die Lösung liegt in der Entwicklung einer eigenen inneren organisationalen Stärke. Wenn Sie so wollen: in der Resilienz Ihres Unternehmens. Dazu brauchen Unternehmen starke Teams, also die unmittelbar zusammenwirkenden Einheiten. Diese Teams entstehen nur durch starke Menschen.
Es gibt Menschen, die jede noch so schwierige Situation scheinbar mühelos bewältigen, während andere bereits am kleinsten Problem scheitern. Jeder kennt das. Das Geheimnis liegt in ebendieser Resilienz, der Fähigkeit von Menschen, selbst widrigste Umstände zu meistern.
Resilienz ist ein Entwicklungsprozess
Diese Fähigkeit ist nicht angeboren, sondern ein dynamischer Entwicklungsprozess. Sie verändert sich im Laufe des Lebens eines Menschen – abhängig von den Erfahrungen und bewältigten Situationen und Ereignissen. Resilienz ist damit auch eine „variable Größe“. Die gute Nachricht: Wir können sie aktiv beeinflussen und trainieren.
Die Resilienzforschung ist mittlerweile unüberschaubar geworden. Wer aber die wissenschaftliche Literatur dazu einmal sichtet, stellt fest, dass letztlich vier Merkmale übrigbleiben, die stärkend auf die Resilienz wirken:
Risikobewusstsein: Das Leben ist nun mal riskant und fragil. Verdrängen Sie das nicht!
Fokussieren Sie unter Stress Ihre Aufmerksamkeit auf die Aspekte, die Sie verändern können, und akzeptieren Sie die Umstände, die Sie nicht verändern können!
Behandeln Sie sich selbst wie einen guten Freund!
Arbeiten Sie an Ihrem Kohärenzgefühl!
Was ist das Kohärenzgefühl?
Unter Kohärenzgefühl ist eine Orientierung zu verstehen, in welchem Ausmaß wir ein nachhaltiges Gefühl des Vertrauens haben, dass
die Situationen, die sich für uns aus der inneren und äußeren Umgebung ergeben, strukturiert, vorhersehbar und erklärbar sind (Verstehbarkeit),
uns die Ressourcen zur Verfügung stehen, um diese Situationen in den Griff zu bekommen (Handhabbarkeit),
diese Situationen so herausfordernd sind, dass sich die Anstrengung und das Engagement lohnen (Sinnhaftigkeit).
Je stärker wir unser Kohärenzgefühl entwickeln, desto resilienter werden wir. Wenn uns das nicht nur bei uns selbst, sondern auch bei anderen gelingt, schließt sich der bereits erwähnte Kreis: starke Menschen – starke Teams – starke Unternehmen. Und wer würde nicht gerne ein starkes Vermittlerunternehmen haben und in einem solchen arbeiten.
Die spannende Frage lautet: Welchen konkreten Einfluss haben Sie als Unternehmer bzw. Führungskraft auf das Kohärenzgefühl Ihrer Mitarbeitenden? Dazu hat der Autor dieses Textes kürzlich einen Expertendialog mit Prof. Dr. Niko Kohls, dem führenden Resilienz- und Achtsamkeitsforscher in Deutschland, aufgenommen. Das Video dazu gibt es hier.
Fazit
Erfolg geht nur mit den Menschen. Gerade in der aktuellen Krise ist es entscheidend, eine gemeinsame, kollektive Stärke zu entwickeln. Wir wissen nicht, was die Zukunft für uns bereithält. Klar dürfte sein, dass die Vertriebswelt sich weiter verändern wird – wahrscheinlich mit einer noch deutlich höheren Geschwindigkeit als bisher.
Auf der Grundlage der richtigen Unternehmenskultur und der Kompetenz, die Resilienz Ihrer Mitarbeitenden positiv zu beeinflussen, sind Sie gut darauf vorbereitet, machen sich und Ihr Unternehmen stark und schaffen so einen „Booster“ für nachhaltigen Vertriebserfolg.
Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 01/2022, S. 102 f., und in unserem ePaper.
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