Erneut sehen sich die rund 8,7 Millionen Versicherten der privaten Krankenversicherung (PKV) mit Beitragssteigerungen konfrontiert. Im Durchschnitt sollen die Beiträge um 4,1% angehoben werden. Das geht aus Berechnungen des WIP hervor. Nach PKV-Aussagen spiele die Corona-Pandemie bei der aktuellen Erhöhungsrunde aber keine Rolle. Im Gegenteil habe die Pandemie die PKV sogar entlastet, da weniger Behandlungen anfielen.
Duales System soll erhalten bleiben
Die PKV ist bereits seit vielen Jahren in der Kritik. Nur Beamte, Selbstständige und Angestellte mit hohem Einkommen dürfen sich darin versichern und genießen Behandlungsvorteile wie Chefarztbehandlung oder Einzelzimmer im Krankenhaus. Zur Bundestagswahl 2021 gewann daher erneut die Debatte einer einheitlichen Bürgerversicherung an Fahrt. Eine solch radikale Reform unterstützen seit jeher SPD, Grüne und Linke. Doch bereits in den Sondierungsrunden zwischen den Ampel-Parteien wurde klar: PKV und GKV bleiben erhalten. Stattdessen befürworten die künftigen Koalitionäre einen leichteren Wechsel von Beamten in die GKV. Im Rahmen einer solchen Wechseloption sei dann vorstellbar, dass wechselwillige Beamte von der GKV einen Arbeitgeberzuschuss als „pauschale Beihilfe“ bekämen. Im Gegenzug müssen die Beamten allerdings ihren Anspruch auf individuelle Beihilfe unwiderruflich aufgeben. Vorbild hierfür könnte das sogenannte „Hamburger Modell“ sein, wie AssCompact bereits berichtete.
Umlageverfahren vs. Anwartschaftsdeckungsverfahren
Angesichts der zuletzt hohen Beitragssteigerungen in der PKV hat nun das WIP reagiert und einen Vergleich der Beitragsdynamik in der PKV mit derjenigen in der gesetzlichen Krankenkasse (GKV) angestellt. Ausgangspunkt der Berechnungen ist die unterschiedliche Finanzierung der Gesundheitsausgaben in beiden Systemen. Während die GKV nach dem Umlageverfahren kalkuliert und damit die laufenden Einnahmen unmittelbar zur Finanzierung der Leistungsausgaben verwendet werden, rechnet die PKV im sogenannten Anwartschaftsdeckungsverfahren. Vorteil der PKV-Methode ist die Bildung von generationengerechten Altersrückstellungen, die zur Vorsorge für die im Alter stetig steigenden Gesundheitsausgaben dienen. Ein solcher struktureller Aufbau von Deckungskapital ist in der GKV nicht vorgesehen. Während also der Beitrag in der GKV von der jeweiligen Gehaltshöhe abhängig ist, sind in der PKV Alter und individuelles Risiko entscheidend für die Prämienzusammensetzung der Versicherten.
Entwicklung der Prämien- und Beitragseinnahmen seit 2012
Für den Vergleich bettet die neue Kurzanalyse des WIP vom November 2021 die gegenwärtigen Erhöhungen in eine Durchschnittsentwicklung seit 2012 ein. Die Analyse zeigt, dass die durchschnittliche Beitragsbelastung im Zeitraum von 2012 bis 2022 in der GKV gegenüber derjenigen in der PKV um ein Drittel höher liegt. Konkret in Zahlen: Im genannten Zehnjahreszeitraum ergibt sich in der PKV ein Anstieg der Prämieneinnahmen je Vollversicherten nach WIP-Angaben von 29,7%. Im gleichen Zeitraum ermittelt die Studie hingegen in der GKV eine Erhöhung der Beitragseinnahmen von 37,8%. Damit nahm die Belastung der PKV-Versicherten in deutlich geringerem Maße zu als diejenige in der GKV. Durchschnittlich ergaben sich pro Jahr eine Erhöhung von 2,6% in der PKV und 3,3% in der GKV (siehe auch untenstehende Abbildung 1).
Das Trügerische daran: Auch wenn in der GKV der Beitragssatz stabilisiert werden konnte, hat jedoch die absolute Belastung der Versicherten zugenommen. Schließlich bezieht sich der Beitragssatz auf das beitragspflichtige Einkommen und das ist im untersuchten Zeitraum deutlich gestiegen.
GKV-Einnahmen profitieren von positiver Konjunkturdynamik
Der Anstieg der Beitragseinnahmen in der GKV ist maßgeblich auf die Zunahme der beitragspflichtigen Einnahmen zurückzuführen. Dafür zeigen sich sowohl die positive Beschäftigtenentwicklung als auch die im Schnitt steigenden Arbeitseinkommen verantwortlich. Außerdem wurde auch die Beitragsbemessungsgrenze im Zeitraum 2021 bis 2022 mit rund 27% auf 4.837,50 Euro (2012: 3.825 Euro) ordentlich angehoben, sodass der Beitragssatz mitsamt Zusatzbeiträgen trotz kontinuierlich steigender Gesundheitsausgaben stabil gehalten werden konnte. Noch dazu profitiert der GKV-Beitragssatz vom Bundeszuschuss, der 2022 kräftig auf über 28 Mrd. Euro angehoben wurde (auch AssCompact berichtete über diese Mehrbelastung der Steuerzahler).
PKV: Moderate Beitragsentwicklung trotz Niedrigzinsumfeld
Die Entwicklung in der PKV ist auf tarifabhängige Prämiensteigerungen, Tarifwechsel sowie auf die Zinsentwicklung zurückzuführen. Trotz des seit Jahren niedrigen Zinsumfeldes sehen sich PKV-Versicherte im Vergleich zur GKV nur mit moderaten Steigerungen konfrontiert. „Dies steht im Kontrast zur öffentlichen Wahrnehmung, die durch die regulierungsbedingt unregelmäßig auftretenden, aber dann zuweilen relativ starken Prämienanpassungen in der PKV geprägt ist. Dagegen suggeriert der stabile allgemeine Beitragssatz der GKV eine konstante Belastung, obwohl die Beitragsbelastung stärker angestiegen ist als in der PKV“, resümiert die Studie. Immer wieder hatte sich der PKV-Verband in der Vergangenheit für eine Anpassung dieses Mechanismus eingesetzt, um die jährlichen Prämienanpassungen zu glätten – bislang erfolglos. (as)
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