Ein Bundesland als Träger der Unterhaltsvorschusskasse hat Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht für den Zeitraum von Juni 2016 bis einschließlich Dezember 2017 von einem Vater verlangt, der über ein Nettoeinkommen von rund 1.400 Euro verfügt. Er ist gegenüber zwei Kindern unterhaltspflichtig. An die eine Kindesmutter, von der er geschieden ist und deren Nettoeinkommen aus einer Teilzeittätigkeit rund 1.000 Euro beträgt, zahlte er monatlichen Unterhalt in Höhe von 100 Euro.

Die Eltern des Mannes, also die Großeltern des betreffenden Kindes, hatten allerdings monatliche Nettoeinkünfte von fast 3.500 Euro bzw. gut 2.200 Euro. Die Unterhaltsvorschusskasse leistete für das betreffende Kind Unterhaltsvorschuss und nahm den Vater von auf sie übergegangenen Unterhalt in Höhe von insgesamt 758,29 Euro in Regress. Der Mann wandte daraufhin ein, er hafte angesichts der leistungsfähigen Großeltern nur bis zur Höhe des angemessenen Selbstbehalts und sei deswegen nicht leistungsfähig. Das Amtsgericht hatte dem Zahlungsantrag in vollem Umfang entsprochen. Auf die Beschwerde des Vaters hin hatte das Oberlandesgericht diese Entscheidung abgeändert und den Antrag abgewiesen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die dagegen vom Land eingelegte Rechtsbeschwerde zurückgewiesen, weil der Vater nicht über die von ihm erbrachten Unterhaltszahlungen hinaus leistungsfähig im Sinne des § 1603 BGB war.

Unterhaltspflicht oder gesteigerte Unterhaltspflicht?

Zum Hintergrund: Verwandte in gerader Linie haben einander nach § 1601 BGB Unterhalt zu gewähren. Die Unterhaltspflicht der Eltern für ihre Kinder geht dabei derjenigen der Großeltern für ihre Enkel vor (§ 1606 Abs. 2 BGB). Unterhaltspflichtig ist nach § 1603 Abs. 1 BGB aber nicht, wer seinen angemessenen Unterhalt gefährden würde; der daraus abgeleitete angemessene Selbstbehalt eines Elternteils gegenüber seinem Kind betrug seinerzeit 1.300 Euro. Allerdings trifft Eltern minderjähriger Kinder gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB eine gesteigerte Unterhaltspflicht, weshalb ihnen insoweit nur der notwendige Selbstbehalt von seinerzeit 1.080 Euro zusteht. Diese sogenannte gesteigerte Verpflichtung tritt nach § 1603 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BGB nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist.

Gesteigerte Unterhaltspflicht entfällt bei leistungsfähigen Großeltern

Wie der BGH nun entschieden hat, entfällt die gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern für ihre minderjährigen Kinder, wenn die Großeltern für den Enkelunterhalt leistungsfähig sind. Werden Großeltern für den Unterhalt ihrer Enkel herangezogen, stellt dies auch keine verdeckte Unterhaltsgewährung an die Kindeseltern dar. Vielmehr haften sie gemäß § 1607 Abs. 1 BGB originär nur auf Unterhalt gegenüber ihren Enkelkindern. Die Kindeseltern müssen ihren eigenen angemessenen Unterhalt selbst sicherstellen.

Den Vater traf im konkreten Fall laut BGH keine gesteigerte Unterhaltspflicht, weil jedenfalls der Großvater ohne weiteres leistungsfähig für den Kindesunterhalt war. Unter Berücksichtigung des angemessenen Selbstbehalts musste der Vater daher über die bereits gezahlten 100 Euro hinaus keinen weiteren Kindesunterhalt leisten. (ad)

BGH, Beschluss vom 27.10.2021 – XII ZB 123/21

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