Der „Innovationsbarometer der deutschen Immobilienwirtschaft“ wird jährlich vom EBS Real Estate Management Institute der EBS Universität in Zusammenarbeit mit Real I.S. und CBRE durchgeführt. Im Rahmen einer quantitativen sowie qualitativen Expertenbefragung werden jeweils der aktuelle Transformationsdruck und die damit einhergehende Notwendigkeit von Innovationen in der deutschen Immobilienbranche beleuchtet. In diesem Jahr legt die Studie erstmals den Fokus auf den Abschnitt „Erstellung – Real Estate“ im Immobilienlebenszyklus.
Nachhaltigkeit hat größte Relevanz
Die Pandemie hat zwar die Branche geprägt, ihr wird von den befragten Experten aber deutlich weniger Bedeutung beigemessen als anderen Innovationstreibern. Mit Abstand die größte Relevanz sprechen die Befragten dem Thema Nachhaltigkeit zu. 90% der Experten schätzten diese als mittel- oder stark relevant ein. Und diese Bedeutung wird sich nach Einschätzung der Befragten auch künftig weiter fortsetzen. So dürfte Nachhaltigkeit auch im Jahr 2031 und darüber hinaus noch Motor für Innovationen und neue Technologien sein.
Digitalisierung und Wettbewerb
Erwartungsgemäß sprechen die Befragten auch den Innovationstreibern Digitalisierung und Wettbewerb ein starkes Gewicht zu. Die moderaten Treiber Kunden und Technologie landen aktuell im Mittelfeld. In Bezug auf die beiden am wenigsten relevanten Treiber Pandemien und Regulierung ergab die Studie ein heterogenes Bild: Für etwa die Hälfte der Befragten haben diese Treiber eine hohe bis starke Bedeutung, die andere Hälfte betrachtet sie als geringfügig bis gar nicht relevant für ihr Unternehmen.
„Der Innovationstreiber Nachhaltigkeit ist eng mit den Kunden beziehungsweise Nutzern verwoben. Die Akteure der Projektentwicklung haben ein sehr hohes Interesse bezüglich Anforderungen und Wünschen der Mieter beziehungsweise Nutzer der Gebäude. Deshalb sind es in diesem Bereich insbesondere die Kunden, die den Paradigmenwechsel in eine neue Ära der Nachhaltigkeit herbeiführen“, erklärt Prof. Dr. Kerstin Hennig, Leitung des EBS Real Estate Management Institutes.
Nachhaltigkeit als Schlüssel zur Innovation
„Es ist bemerkenswert, dass aktuell nicht einzelne Aspekte wie Kunden oder Regulierung die entscheidenden Innovationstreiber sind. Vielmehr ist die Nachhaltigkeit der Schlüssel zur Innovation, die sich dann etwa über die Präferenzen der Kunden im Bereich Digitalisierung und Technologie im Kontext von EU-rechtlichen Veränderungen mit dem Ziel der stärkeren Nachhaltigkeit von Gebäuden äußert. Die Umsetzung von Nachhaltigkeitsvorgaben führt zu neuen Arbeitsprozessen. Erst in Verbindung mit dem Megatrend Nachhaltigkeit entwickeln die anderen untersuchten Innovationstreiber einen hohen Transformationsdruck – und zwar in dem Bereich der Immobilienwirtschaft, in dem die Trends von morgen implementiert werden“, sagt Jochen Schenk, Vorstandsvorsitzender der Real I.S. AG.
Besseres Verständnis von Nutzeranforderungen notwendig
Forschungsbedarf sehen die Studienautoren vor allem dahingehend, Nutzer- und Kundenanforderungen besser zu verstehen – wie dies in anderen Branchen längst etabliert ist. „Obwohl die Nutzer offensichtlich eine entscheidende Rolle spielen, liegen aktuell zu wenig tragfähige Informationen über deren Präferenzen und Präferenzänderungen vor, um auf diese effektiv mit der Entwicklung innovativer Immobilienprodukte zu reagieren. Nach dem Verständnis der Teilnehmer ist gegenwärtig die Datenerhebung und -auswertung für einen einzelnen Akteur zu aufwendig. Auch der Datenschutz bei der Erhebung von Nutzerdaten mittels Sensorik birgt Herausforderungen“, erläutert Dr. Susanne Hügel, Head of Digital Strategy for Continental Europe bei CBRE.
Smart Building erst in Kombination mit Nachhaltigkeit interessant
Als Beispiel für eine Wechselwirkung der Innovationstreiber führen die Studienautoren die sogenannten Smart Buildings an. Die Nachfrage auf Kundenseite hält sich aktuelle offenbar in Grenzen, vermehrt erhält das „normale“ Gebäude wieder den Vorzug. Der Antrieb aus dem Kundenwunsch heraus, Digitalisierung im Gebäude einzusetzen, um es smart zu machen, ist damit nicht vollumfänglich gegeben. Zielen solche Smart-Building-Technologien aber darauf ab, ESG-Anforderungen zu erfüllen, würden sie laut Studie zunehmend auch von Nutzerseite gewünscht.
Künstliche Intelligenz im Kommen
Technologien wie künstliche Intelligenz (KI) haben derzeit noch keinen großen Stellenwert, dies dürfte sich jedoch ändern. Nach Einschätzung der Experten hat die Immobilienwirtschaft in Sachen KI, 3D-Druck und Robotics allgemein, im Bereich der „Ersteller“ aber im Besonderen einen deutlichen Nachholbedarf. Diese Technologien werden potenziell als wesentliche Innovationstreiber erachtet. Auch die Digitalisierung dürfte nach Ansicht der Experten die Arbeitsprozesse im Bereich „Erstellung – Real Estate“ zukünftig noch stärker verändern.
Regulierung des Mietmarkts als Hemmschuh
Regulierungen scheinen den Studienergebnissen zufolge derzeit eher hemmend für die Entwicklung innovativer Strategien zu sein. „Dass die Rolle der Regulierung in Bezug auf ihre treibende oder hemmende Wirkung nicht eindeutig beantwortet werden kann, liegt vorwiegend an dem Facettenreichtum dieses Innovationstreibers. So ist beispielsweise zwischen den verschiedenen Rechtsebenen vom EU-Recht bis zum örtlichen Baurecht zu unterscheiden, die unterschiedlich innovationstreibend wirken können. Auch finanzielle Förderungen zählen zu den typischen regulatorischen Elementen, die eine positive Wirkung auf Innovationen haben können. Der Bereich der Regulierung sollte als eigenständiges Forschungsfeld intensiver betrachtet werden, da dort auch der Schlüssel zu mehr Innovationen im notwendigen Feld der Nachhaltigkeit liegen kann“, betont Prof. Dr. Hennig. (tk)
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