Mitte Oktober hat der Schätzerkreis der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) den zusätzlichen Finanzbedarf der GKV auf rund 7 Mrd. Euro beziffert, wie auch AssCompact berichtete. „Wir erwarten, dass die Bundesregierung rasch für einen entsprechenden Bundeszuschuss sorgt – und damit die Gefahr von flächendeckend steigenden Zusatzbeiträgen im nächsten Jahr abwendet“, so die damalige Forderung von Dr. Volker Hansen, Verwaltungsratsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes. Nun scheint diese Forderung des GKV-Spitzenfunktionärs von der Politik erfüllt zu werden.

Verdoppelung des Bundeszuschusses für 2022

Die Große Koalition hatte bereits gesetzlich festgelegt, dass der Bund 2022 zunächst 7 Mrd. Euro als Extrazuschuss an die Kassen gibt – über die bereits seit 2017 regulär im Bundeshaushalt eingeplanten 14,5 Mrd. Euro hinaus. Bei Bedarf sollte dieser ergänzende Zuschuss aber weiter erhöht werden können, damit der durchschnittliche Zusatzbeitrag das heutige Niveau von 1,3% nicht übersteigt. Angesichts der Beseitigung der Finanzierungslücke trotz Beitragsstabilität hat die geschäftsführende Bundesregierung nun einen weiteren Zuschuss in Höhe von nochmals 7 Mrd. Euro auf den Weg gebracht. Damit klettert die Finanzierungsspritze aus Steuergeldern insgesamt auf über 28 Mrd. Euro, was nun einer Verdoppelung der ursprünglich eingeplanten Summe entspricht. Das Bundesgesundheitsministerium betonte in der Vorlage, durch die Beitragsstabilisierung leiste der Bund „einen erheblichen Beitrag zur Begrenzung der Sozialversicherungsbeiträge auf unter 40% und damit zur schnelleren Erholung der Wirtschaft nach der Covid-19-Pandemie.“

GKV-Steuerzuschüsse schmälern staatliche Gestaltungsspielräume

Allerdings: Die geplanten GKV-Zuschüsse verringern natürlich auch den politischen Handlungsspielraum des Bundes und bringen die Gesundheitsversorgung in eine direkte Budget-Konkurrenz zu Investitionen in Bildung, Forschung, Digitalisierung oder Klimaschutz. Dieses Vorgehen prangern Vertreter der Privaten Krankenversicherung (PKV) mittlerweile auch als eine unverhältnismäßige Steuerfinanzierung an, wie auch AssCompact bereits berichtete. Entsprechend eines aktuellen Gutachtens der Finanzwissenschaftler Thiess Büttner und Martin Werdig würden schon in der jetzigen Wahlperiode bis 2025 zusätzliche 144 Mrd. Euro Bundeszuschüsse fällig, wenn denn die 40%-Obergrenze für die Sozialversicherungsbeiträge weiter gelten soll; was von den Ampel-Koalitionären bis dato jedoch so nicht bestätigt wurde. Bis zum Jahr 2030 wären dafür dann sogar 517 Mrd. Euro zusätzlich nötig. Die Vertreter der Krankenversicherungen begrüßten unterdessen den Schritt: „Jetzt kommt es darauf an, dass der Bundestag bis Mitte November zustimmt, damit die Kassen eine verbindliche Basis für ihre Haushaltsplanung 2022 haben“, sagte die Chefin des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer.

Zukünftig Leistungskürzungen statt wachsender Steuerzuschüsse?

Um die steigenden Gesundheitsausgaben in den Griff zu bekommen, tendieren die gesetzlichen Kassen mittlerweile auch dazu, Leistungskürzungen vorzunehmen. Wie das GKV-Qualitätsranking vom Deutschen Finanz-Service Institut (DFSI) in Kooperation mit der Wirtschaftszeitung Handelsblatt festgestellt hat, haben gleich mehrere Kassen ihr Zusatzangebot für die Versicherten in den vergangenen Monaten eingeschränkt. Viele Anbieter hätten demnach freiwillige Zusatzleistungen oder Bonusprogramme zusammengestrichen. Zudem werden Forderungen nach weiteren strukturellen Forderungen zur Entlastung der Kostenseite in der GKV laut. Dr. Jens Baas, Vorstand der Techniker Krankenkasse (TK), fordert unter anderem eine Krankenhausreform mit dem Ziel, die Bettenzahl deutlich zu reduzieren. Er gehe davon aus, dass 100.000 der 500.000 Krankenhausbetten in Deutschland überflüssig seien, sagte der TK-Chef. „Zum einen sind die Betten im Schnitt nur zu 77% ausgelastet. Zum anderen schätzen wir, dass jede fünfte Krankenhausbehandlung nicht stationär erfolgen müsste.“ Wirksame Sofort-Maßnahmen seien auch bei den Pharmapreisen möglich, etwa durch einen höheren verpflichtenden Herstellerrabatt und eine niedrigere Mehrwertsteuer auf Medikamente.

Finanzkraft bei den einzelnen Kassen unterschiedlich ausgeprägt

Unterdessen sind die Kostensteigerungen durch die Corona-Pandemie in der GKV bei Weitem noch nicht ausgestanden. Bei vielen teuren Therapien etwa im Bereich der Onkologie oder der Herz-Kreislauf-Erkrankungen gibt es einen Rückstau an Behandlungen, der aufgelöst werden muss. Die Ausgaben dafür haben sich letztlich nur zeitlich verschoben. Hinzu kommen die allgemeinen Kostensteigerungen im Gesundheitssystem. „Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob sich die Kassenbeiträge auf Dauer stabil halten lassen werden“, sagt Thomas Lemke, Geschäftsführer beim DFSI. Auch Krankenkassen, die in der Vergangenheit solide gewirtschaftet haben, geraten nun wirtschaftlich zunehmend unter Druck, weil sie ihre Rücklagen abbauen mussten. Die Experten des DFSI haben daher für eine Studie umfassende Finanzdaten von 50 Krankenkassen zusammengetragen. Im Gesamtergebnis weisen darin unter in ganz Deutschland zugänglichen Kassen die BKK firmus, die Audi BKK und die hkk Krankenkasse die höchste Finanzkraft auf. Schlusslichter im Ranking sind die BKK VBU, die DAK-Gesundheit und die pronova BKK. (as)

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