Zwei Anteilseigner einer deutschen Privatbank haben sich mit einer Beschwerde gegen Urteile des Landgerichts Bonn (LG) und des Bundesgerichtshofs (BGH) gewandt. Das LG Bonn hatte deutschlandweit die ersten Angeklagten wegen sogenannter „Cum-Ex-Aktiengeschäfte“ verurteilt. Der BGH hatte ganz überwiegend die gegen das Urteil gerichteten Revisionen verworfen und beide Urteile wurden anonymisiert veröffentlicht. Zudem gab der BGH eine Pressemitteilung heraus.

Beschwerdeführer: LG Bonn und BGH haben Unschuldsvermutung missachtet

Die Beschwerdeführer waren nun der Ansicht, LG und BGH hätten die Unschuldsvermutung missachtet; außerdem verletzten die Veröffentlichung der Urteile und die BGH-Pressemitteilung sie in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

Beide Beschwerdeführer selbst waren in diesem Verfahren gar nicht angeklagt. In den Urteilsgründen ist allerdings ausgeführt, dass der eine Beschwerdeführer gemeinsam mit weiteren Dritten in mehreren Fällen vorsätzlich und rechtswidrig den Tatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht habe, wozu die Angeklagten Hilfe geleistet hätten.

Verfassungsbeschwerde des einen Beschwerdeführers genügt den Begründungsanforderungen nicht

Die Verfassungsbeschwerde dieses Beschwerdeführers genügt laut Bundesverfassungsgericht (BVerfG) allerdings den Begründungs- und Substantiierungsanforderungen nicht: Richtet sich eine Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen, so muss sich der Beschwerdeführer argumentativ mit den Gründen einer angegriffenen Entscheidung auseinandersetzen, wenn er eine Grundrechtsverletzung anprangert. Liegt zu den mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Verfassungsfragen bereits eine Rechtsprechung des BVerfG vor, so ist der behauptete Grundrechtsverstoß in Auseinandersetzung mit den verfassungsgerichtlich entwickelten Maßstäben zu begründen. Diesen Anforderungen wird die betreffende Verfassungsbeschwerde aber nicht gerecht. Der Beschwerdeführer hat sich, soweit er eine Verletzung der Unschuldsvermutung behauptet, nicht mit der hierzu ergangenen BVerfG-Rechtsprechung auseinandergesetzt.

Zweiter Beschwerdeführer ist in der Sache gar nicht beschwerdeberechtigt

Zum zweiten Beschwerdeführer enthalten die angegriffenen Urteile des LG Bonn und des BGH überhaupt keine Ausführungen, dieser Beschwerdeführer ist daher davon nicht betroffen und folglich gar nicht beschwerdebefugt. Eine eigene Betroffenheit lässt sich laut BVerfG auch nicht daraus ableiten, dass sein Name mit der Privatbank „untrennbar verbunden“ sei, denn dies ändere nichts daran, dass die angegriffenen Urteile keine Feststellungen zu seiner Person enthalten. Soweit dieser Beschwerdeführer eine eigene Betroffenheit aus einem gegen ihn gerichteten, die angegriffenen Urteile in Bezug nehmenden BaFin-Verwaltungsverfahren abzuleiten versucht, fehlt es dem BVerfG zufolge an der Unmittelbarkeit der Betroffenheit.

Etwas anderes folgt laut BVerfG auch nicht aus der Richtlinie (EU) 2016/343. Demnach müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass, solange die Schuld eines Verdächtigen oder einer beschuldigten Person nicht rechtsförmlich nachgewiesen wurde, unter anderem in gerichtlichen Entscheidungen „nicht so auf die betreffende Person Bezug genommen wird, als sei sie schuldig“. Dies ist in Bezug auf den betreffenden zweiten Beschwerdeführer nicht der Fall, da die angegriffenen Urteile nicht auf seine Person Bezug nehmen und auch keine Feststellungen über seine strafrechtliche Schuld enthalten.

BVerfG: Beide Beschwerdeführer haben den vorhandenen Rechtsweg nicht ausgeschöpft

Im Übrigen, so das BVerfG,hätten beide Beschwerdeführer den Rechtsweg nicht im Sinne des § 90 Abs. 2 BVerfGG erschöpft. Es es sei nämlich weder vorgetragen worden noch ersichtlich, dass bezüglich der Veröffentlichung der angegriffenen Entscheidungen sowie der dazugehörigen BGH-Pressemitteilung kein fachgerichtlicher Rechtsschutz zu erlangen gewesen wäre. (ad)

BVerfG, Beschluss vom 22.11.2021 – 2 BvR 1872/21

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