Interview mit Dr. Michael Fauser, Vorsitzender des Vorstands der ERGO Vorsorge Lebensversicherung AG
Herr Dr. Fauser, wir befinden uns im letzten Quartal des Jahres. Da kann man schon eine Bestandsaufnahme machen: Wie ist das Lebengeschäft bisher gelaufen?
Wir sind mit dem Jahr bislang sehr zufrieden. Im Vergleich zum Vorjahr konnten wir im Neugeschäft ungefähr um die Hälfte zulegen. Damit wachsen wir stärker als der Markt. Die Nachfrage nach Lebensversicherungsprodukten bleibt insgesamt hoch. Das lässt mich für die ERGO Vorsorge insgesamt optimistisch auf die kommenden Monate und auch Jahre blicken.
Was erwarten Sie für die letzten drei Monate?
In Anbetracht der Absenkung des Höchstrechnungszinses ab 01.01.2022 auf dann 0,25% erwarte ich eine erhöhte Nachfrage sowohl in der Altersvorsorge als auch bei den biometrischen Produkten. Denn auch für die biometrischen Produkte wie die Berufsunfähigkeits- oder die Risikolebensversicherung dürften durch die Absenkung des Höchstrechnungszinses die Beiträge steigen.
Nun gab es in den vergangenen Jahren, vor allem 2019, eine hohe Steigerung beim Vertrieb von Einmalbeitragsprodukten. Setzt sich das nun aufgrund von Strafzinsen bei Banken und vielleicht auch dank mancher Steuervorteile fort?
Wir nehmen eindeutig eine höhere Nachfrage im Einmalbeitragsgeschäft wahr. Wir haben darauf reagiert und unser Angebot entsprechend ausgebaut. Einmalbeiträge können heute in all unsere Produkte investiert werden und richten sich an Anleger jedes Alters. Mit der „ERGO Vermögenspolice Index“ zum Beispiel bieten wir sicherheitsorientierten Kunden eine hundertprozentige Garantie ihrer Beiträge. Bei der „ERGO Vermögenspolice Balance“ erfolgt die Aufteilung der Kapitalanlage anhand des individuellen Sicherheitsbedürfnisses des Kunden und kann jederzeit geändert werden. Die „ERGO Vermögenspolice Chance“ bietet eine ideale Kapitalanlage mit einer Vielzahl an Fonds in allen großen Märkten. Seit Juni bieten wir zudem unsere erfolgreichen Altersvorsorgeprodukte Index, Balance und Chance auch als Kidspolicen gegen Einmalbeitrag an.
Zu viele Einmalbeiträge können aber auch ein Kollektiv durcheinanderbringen. Wie gehen Sie damit um?
Das Volumen des Einmalbeitragsgeschäfts bei ERGO ist im Vergleich zu unserem Geschäft aus laufenden Beiträgen überschaubar. Gleichzeitig sehen wir hier aber insgesamt viel Potenzial und wollen unsere Marktposition bei Einmalbeiträgen stärken, nicht zuletzt, um unseren Kunden attraktive Alternativen für ihre jetzigen Geldanlagen zu bieten. Das Kollektiv wird dabei nicht gefährdet.
Vor ein paar Jahren fand der geplante Run-off der ERGO eine große Aufmerksamkeit. Es kam dann anders. Wie ist dazu der aktuelle Stand?
Richtig, wir hatten seinerzeit entschieden, den Run-off unserer klassischen Lebensversicherungsbestände intern durchzuführen. Dafür bauen wir eine neue, moderne Verwaltungsplattform auf – quasi eine Branchenplattform, die dann auch anderen Lebensversicherern offensteht. Seit letztem Jahr haben wir Verträge auf der neuen Plattform und sammeln Erfahrungen im operativen Betrieb. In diesem Sommer haben wir noch einmal größere Fortschritte gemacht. Wir sind hier also gut aufgestellt.
Wie geht es dann mit der ERGO Vorsorge weiter?
Wir konzentrieren uns auf die Entwicklung und Verwaltung kapitalmarktnaher und biometrischer Produktlösungen der privaten und betrieblichen Altersvorsorge. Hier wollen wir Innovator für die gesamte Branche sein und werden aktiv Marktanteile in Leben zurück- und dazugewinnen.
In bestimmten Phasen haben Sie Ihren Vertriebspartnern auch einiges zugemutet. Wie entwickelt sich die Zusammenarbeit?
Die Zusammenarbeit mit unserem Vertrieb ist eng und vertrauensvoll. Als wir 2016 die neue Strategie für die ERGO Vorsorge entwickelt haben, haben wir den Vertrieb sehr stark in den gesamten Prozess mit eingebunden. So machen wir es bei allen Produktentwicklungen bis heute. Nur so ist es möglich, erfolgreich Produkte zu entwickeln und zu verkaufen.
Insgesamt stehen Lebensversicherer, zumindest einige, unter besonderer Beobachtung der BaFin. Welche Entwicklung sehen Sie da und was heißt das weiter für Ihr Haus?
Die deutschen Lebensversicherer haben immer ihre Verpflichtungen erfüllt, und das wird auch in Zukunft so bleiben. Das gilt uneingeschränkt auch für die ERGO Lebensversicherer. Die ERGO Vorsorge ist mit einer Solvenzquote von 577% finanziell sehr gut aufgestellt. Zum gleichen Schluss kommen auch verschiedene Rating-Häuser. So hat Assekurata erst im Mai seine beste jemals vergebene Bewertung von AA für die ERGO Vorsorge bestätigt. Zum selben Ergebnis kommt auch die Ratingagentur Fitch und attestiert uns einen stabilen Ausblick. Hier sind wir also sehr stark aufgestellt.
Mit Blick auf die Produkte in der Altersvorsorge sind die großen Themen die Absenkung des Rechnungszinses und die Reduzierung der Beitragserhaltungsgarantie – wie schon erwähnt. Was erwarten Sie langfristig für den Markt?
Wir erwarten insgesamt eine steigende Nachfrage nach flexiblen und kapitalmarktnahen Produkten in der Altersvorsorge. Wir sehen bereits jetzt ein erhöhtes Interesse unserer Kunden an solchen Produkten, um an den Chancen des Kapitalmarkts teilhaben zu können.
Die Zeit von Riester scheint vorbei. Hätten Sie bzw. die Versicherer tatsächlich eine Reform bevorzugt?
Eine Reform wäre aus meiner Sicht immer noch der beste Weg. Riester ist ein gutes Produkt für die zusätzliche Altersvorsorge – gerade für diejenigen, die es sich bislang nicht leisten konnten. Ich teile auch die pauschale Kritik am Produkt nicht. Es ließe sich etwa durch eine Anpassung des starren Garantieniveaus fit für die Zukunft machen. Dadurch würden die Versicherten aktiv an den Chancen des Kapitalmarkts teilhaben und profitieren.
Und in der bAV? Dort tobt ebenfalls die Diskussion um die Garantien.
Neue Garantiemodelle können auch in Zeiten niedriger Zinsen die Altersvorsorge nachhaltig sichern. Umso wünschenswerter wäre es, wenn der Gesetzgeber derartige Modelle auch für die bAV rechtlich legitimieren würde, beispielsweise durch die Absenkung des Garantieniveaus in der Beitragszusage mit Mindestleistung.
Für die Lebensversicherer wird auch aufgrund dieser Entwicklungen der Biometriebereich immer bedeutender. Welchen Anteil hat dieser Bereich mittlerweile?
Der Biometriesektor wird zu oft vergessen. In Deutschland ist zum Beispiel weniger als jeder Fünfte gegen Berufsunfähigkeit abgesichert. Dabei weisen auch immer wieder Verbraucherschützer darauf hin, wie sinnvoll solch eine Absicherung ist. Das Potenzial ist dementsprechend groß. Daher wollen wir unsere Aktivitäten in diesem Sektor in Zukunft noch verstärken und sind schon auf einem sehr guten Weg. Im Neugeschäft der ERGO Vorsorge machen Biometrieprodukte heute bereits mehr als ein Drittel aus.
Konzentrieren Sie sich bei Neuerungen auf diese Bereiche?
Insgesamt wollen wir unsere Produktpalette im Biometriebereich überarbeiten und erweitern. So haben wir etwa zu Beginn dieses Jahres unsere Risikolebensversicherung um eine erweiterte Nachversicherungsgarantie ergänzt, wodurch unsere Kunden noch flexibler auf sich verändernde Lebensläufe reagieren können. Darüber hinaus entwickeln wir aktuell eine Grundfähigkeitsversicherung als alternatives Produkt in der Arbeitskraftabsicherung.
Welche weiteren Trends sehen Sie?
Der Trend geht eindeutig in Richtung flexibler Produkte, die die Chancen des Kapitalmarkts aktiv nutzen. Mit der ERGO Rente Balance bieten wir hier ein hervorragendes Produkt. Der Kunde kann seine Beiträge und sein Guthaben beliebig zwischen Fonds und dem sicheren Hafen des Deckungsstocks aufteilen und diese Aufteilung jederzeit flexibel ändern. Wir gehen davon aus, dass der Wunsch der Kunden nach maximaler Flexibilität anhalten wird, und sind hier Vorreiter.
Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 10/2021 und in unserem ePaper.
Bild: © Андрей Яланский – stock.adobe.com; Porträtfoto: © ERGO
Source: ImmoCompact