Ein Artikel von Dr. Sandra Blome, Partner & Director beim ifa (Institut für Finanz- und Aktuar­wissenschaften) und apl. Prof. Dr. Jochen Ruß, Geschäftsführer beim ifa

Zum 01.01.2022 wird der Höchstrechnungszins für die Lebensversicherung von 0,9% auf 0,25% abgesenkt. Bei üblicher Produktkalkulation stellt der Höchstrechnungszins eine Obergrenze für den Garantiezins dar. Dies erlaubt ab 2022 selbst bei extrem kostengünstigen Produkten keine Garantie von 100% der Beiträge mehr. Garantien von 100% werden vermutlich dennoch von manchen Versicherern weiterhin angeboten – aber wahrscheinlich nur übergangsweise. Doch wie wirken eigentlich hohe Garantien in einem Niedrigzinsumfeld und welche Garantien sind für welche Kunden bedarfsgerecht?

Garantien reduzieren Rendite

Je höher die Garantie eines Altersvorsorgeprodukts ist, desto größer ist offensichtlich der Anteil sicherer Kapitalanlagen und desto geringer ist der Anteil chancenreicher Kapitalanlagen wie zum Beispiel Aktien. Das Renditepotenzial eines Altersvorsorgeprodukts ist deswegen umso niedriger, je höher die Garantie ist. Es ist davon auszugehen, dass die ab 2022 übergangsweise angebotenen Produkte mit 100% Beitragsgarantie (nahezu) vollständig in das klassische Sicherungsvermögen des Versicherers investieren werden. Ein signifikantes Chancenpotenzial oberhalb der Rendite klassischer Produkte wird also nur möglich sein, wenn das Garantieniveau signifikant unter 100% liegt.

Garantien reduzieren Risiko (?)

Garantien „kosten“ zwar Rendite, sie reduzieren dafür im Gegenzug das Risiko. Dies gilt aber zunächst nur bei einer sogenannten „nominalen“ Betrachtung. Hierunter versteht man die Betrachtung von Eurowerten einer Leistung. Für Verbraucher ist aber auch die Kaufkraft der Leistung relevant, also etwa wie viele Mahlzeiten und Monatsmieten man sich von seiner Rente leisten kann. Daher ist auch eine „reale“, also inflationsbereinigte Betrachtung von Bedeutung.

Garantien erhöhen Inflationsrisiko

Aktienrenditen weisen über lange Zeiträume eine positive Korrelation mit der Inflation auf: Wenn über einen langen Zeitraum eine eher hohe Inflation vorherrscht, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich in diesem Zeitraum Aktien überdurchschnittlich gut entwickeln und umgekehrt. Allerdings lässt – wie bereits erwähnt – eine höhere Garantie nur einen geringeren Anteil von Aktien zu. Zusammen führt dies dazu, dass hohe Garantien zwar das Risiko aus den zufälligen Schwankungen des Aktienmarkts reduzieren, aber das Risiko erhöhen, das aus der Inflation resultiert.

Nominal versus real

Eine rein nominale Betrachtung ignoriert den genannten Effekt, sodass eine höhere Garantie stets zu mehr Sicherheit zu führen scheint. Ob und in welchen Fällen mehr Garantie aber auch real (inflationsbereinigt) zu mehr Sicherheit führt, kann nur mithilfe quantitativer Analysen untersucht werden.

Niedrige Garantieniveaus bedarfsgerecht

Berechnungen zeigen, dass eine Garantie von 100% der Beiträge im aktuellen Zinsumfeld zu einer sehr starken Reduktion der Chancen führt. Umgekehrt reduziert diese Garantie zwar das nominale Risiko, in Bezug auf das relevante reale Risiko wirkt sie hingegen – wenn überhaupt – kaum risiko­reduzierend. Betrachtet man die relevanten realen Werte, ist zwar der „Preis“ einer Garantie, also die Reduktion der Chance, ähnlich hoch, wie er nominal erscheint. Der „Nutzen“ der Garantie, das heißt die Reduktion des Risikos, ist hingegen real deutlich geringer, als er nominal erscheint. Im aktuellen Zinsumfeld sind daher niedrigere Garantieniveaus auch für sicherheitsorientierte Menschen bedarfsgerechter als hohe.

Bedarfsgerechte Garantien in der bAV

Bei der Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) ist eine Garantie von 100% der Beiträge gesetzlich vorgeschrieben. Im Gegensatz dazu sind bei der beitragsorientierten Leistungszusage (BOLZ) niedrigere Garantien möglich. Auf diesem Wege können also Garantieniveaus, die im aktuellen Umfeld auch für sicherheitsorientierte Arbeitnehmer bedarfsgerecht sind, auch in der bAV angeboten werden. Unterschiedliche Zusagearten in der bAV können jedoch unterschiedliche Ausgestaltungen der Renten­bezugsphase bedingen. So werden in der Praxis bei der BOLZ oft nur sogenannte volldynamische Renten angeboten. Hier führt jeder Überschuss zu einer Erhöhung der gezahlten Rente. Bei der BZML hingegen kommen oft auch sogenannte teildynamische Renten zum Einsatz, die eine höhere Anfangsrente aufweisen, aber bei sinkenden Überschusssätzen auch zu einer Reduktion der gezahlten Rente führen können.

BOLZ mit reduzierter Garantie: Attraktives Chance-Risiko-Profil

Betrachtet man im Modell die Ansparphase und die Rentenphase gemeinsam, so stellt man fest, dass im aktuellen Umfeld der zur Verrentung zur Verfügung stehende Betrag bei einem BOLZ-Produkt mit abgesenkter Garantie mit großer Wahrscheinlichkeit höher ist als bei einem BZML-Produkt mit 100% Beitragsgarantie. Im Mittelwert ist der Vorteil aus der Ansparphase so groß, dass sich trotz des anderen Überschusssystems eine ähnliche Anfangsrente ergibt. Die volldynamische Rente der BOLZ-Produkte wird dann voraussichtlich stärker als beim BZML-Produkt steigen und kann insbesondere nie sinken.

Insgesamt erscheint somit das Chance-Risiko-Profil einer BOLZ mit reduzierter Garantie im aktuellen Umfeld auch unter Einbeziehung der Rentenbezugsphase attraktiver als das Chance-Risiko-Profil einer BZML mit 100% Beitragsgarantie.

Zur zugrunde liegenden Studie des ifa geht es hier: www.ifa-ulm.de/Garantien-bAV.pdf

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 12/2021, S. 34 f., und in unserem ePaper.

Source: ImmoCompact