Zum Jahreswechsel stellt sich mit Blick auf das kommende Jahr die Frage, wie sich die Zinsen entwickeln, ob die Inflation weiter steigt und ob die Immobilienpreise weiter steigen. Im ausklingenden Jahr 2021 haben die Zinsen leicht angezogen, verharrten aber auf niedrigem Niveau. Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender der Dr. Klein Privatkunden AG, rechnet damit, dass sich dieser Trend aus dem Jahr 2021 fortsetzen wird. „Die Zinsen werden sich weiterhin seitwärts auf niedrigem Niveau bewegen – mit leichter Aufwärtstendenz.“ Dafür sorge die Europäische Zentralbank (EZB), die trotz erhöhter Inflation die Zinsen künstlich deckelt, indem sie Anleihen kauft und den Leitzins niedrig hält, so Neumann weiter. Er geht frühestens im Jahr 2023 von einer einer ersten Leitzinsanhebung aus. Immobilienkäufer profitieren, wenn die Zinsen auch 2022 noch auf einem historisch niedrigen Niveau bleiben. Neumann empfiehlt lange Laufzeiten, um das Zinsänderungsrisiko zu verringern.

Wohin bewegt sich die Inflation?

Im Jahr 2021 hat die Inflation erstmals seit 30 Jahren die Marke von 5% überschritten. „Anfang 2022 ist mit einem signifikanten Rückgang der Inflationsrate zu rechnen. Ich gehe davon aus, dass wir das hohe Niveau, das wir in Deutschland hatten, so nicht wiedersehen werden. Zwar wird die Inflationsrate im ersten Halbjahr 2022 weiterhin deutlich über der von der EZB neu definierten Zielmarke ‚um 2%‘ liegen, sich dann aber im zweiten Halbjahr von oben diesem Wert nähern,“ so die Einschätzung von Neumann.

In einem gesunden wirtschaftlichen Umfeld bewirkt eine hohe Inflation indirekt höhere Zinsen. Das wäre die natürliche Bewegung, wie Neumann bemerkt. In einem solch normalen Umfeld würden die Notenbanken mit Zinserhöhungen reagieren, um einer Inflation jenseits ihrer Zielmarke entgegenzusteuern. Die EZB tut jedoch nichts dergleichen, da sie davon ausgeht, dass die Inflation wieder auf die 2% zusteuern wird.

Driften die Immobilienpreise weiter in die Höhe?

Wenn es für Erspartes keine Rendite mehr gibt, wenden sich die Menschen verstärkt Sachwerten zu. „Die Immobilie ist als Anlagealternative für die Altersvorsorge prädestiniert. Diese Entwicklung heizt die Nachfrage nach Immobilien weiter an – und damit auch die Preise, wenn nicht gleichzeitig das Angebot an Immobilien zunimmt. Und das tut es in Deutschland zu langsam“, so das Fazit von Neumann. Seiner Einschätzung nach müssen sich Interessenten auch im Jahr 2022 auf steigende Immobilienpreise einstellen – wenn auch mit verringerter Dynamik als in den vergangenen drei bis vier Jahren.

Nachfrage übersteigt Angebot: Ist eine Trendumkehr in Sicht?

2021 überstieg die Nachfrage nach Wohnungen und Häusern in Deutschland das Angebot. Zwar wird mehr gebaut als noch vor einigen Jahren, aber eben immer noch zu wenig, meint Neumann. Auch ein zu erwartender Zuzug von Arbeitskräften nach Deutschland nach der Coronapandemie sorge für zusätzliche Nachfrage nach Immobilien. Mit dem erklärten Ziel, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen, will die neue Bundesregierung hier Abhilfe schaffen. Das Ziel begrüßen Fachleute in der Branche, betrachten es aber auch als ambitioniert. So auch Michael Neumann. Bereits die große Koalition hatte sich 1,5 Millionen Wohnungen in vier Jahren vorgenommen, also 375.000 pro Jahr. Tatsächlich seien im Schnitt der letzten vier Jahre etwa 300.000 jährlich fertiggestellt worden. „Und die – so meine Hypothese – hätte es auch ohne das Ziel der GroKo gegeben, allein durch die Aktivitäten der Bauwirtschaft“, meint Neumann. Mit einer schnellen Trendwende für Immobiliensuchende rechnet er nicht.

Gibt es weiterhin Lieferengpässe?

Infolge der Corona-Krise hatte die Baubranche mit Lieferengpässen zu kämpfen. Neubauvorhaben wurden aufgrund von langen Wartezeiten und Materialknappheit teurer. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 dürfte sich daran nicht viel ändern. „Lieferketten werden weiter beeinträchtigt sein und viele Materialien bleiben rar. Insofern werden die höheren Preise auch hier nicht abrupt auf das Vorkrisenniveau zurückfallen, sondern wir werden das noch einige Monate spüren. Dadurch wird sich natürlich auch der Preisdruck bei Neubauten oder Sanierungsmaßnahmen weiterhin erhöhen“, schätzt Neumann. (tk)

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Source: ImmoCompact