Herr Lauer, Sie sind bei INDUSTRIA WOHNEN verantwortlich für die kaufmännische und technische Seite von Akquisitionen. Sichten Sie denn alle eingehenden Angebote?

Wir werfen einen Blick auf alles, was an uns herangetragen wird. Dann picken wir diejenigen Angebote heraus, die uns aussichtsreich erscheinen. Dabei berücksichtigen wir Kriterien wie Makro- und Mikrolage, die Wirtschaft vor Ort, aber auch die demografische Entwicklung und die Situation auf dem örtlichen Arbeitsmarkt.

Lassen Sie uns zunächst auf die Anbieter zu sprechen kommen. Von wem erhalten Sie denn überhaupt alles Angebote?

Zu vielen größeren Projektentwicklern haben wir gute Beziehungen, die im Lauf der Jahre gewachsen sind. Mit diesen sind wir auch regelmäßig im Austausch. Doch auch die Angebote kleinerer Projektentwickler fallen nicht unter den Tisch. Insgesamt zahlt sich unsere Arbeit der vergangenen Jahre aus: Wir haben ein gutes Standing am Markt und bekommen auch ausgewählte Objekte und „Trophy-Immobilien“ angeboten.

Haben Sie denn unter den angesprochenen Projektentwicklern auch feste Kooperationspartner?

Ja, zu einigen großen Entwicklern haben wir strategische Partnerschaften aufgebaut. Dazu zählen beispielsweise der schwedische Projektentwickler Bonava und der niederländische Projektentwickler Ten Brinke. Nicht zu vergessen natürlich ein Netzwerk an Vermittlern, die immer wieder interessante Projekte an uns herantragen.

Sichten Sie auch Initiativangebote? Und wenn ja, ist da mitunter etwas Aussichtsreiches dabei?

Wir haben natürlich außerdem eine allgemeine E-Mail-Adresse, über die wir auch zahlreiche Initiativangebote per Mail bekommen. Und ja, auch darunter finden wir immer mal wieder verborgene Schätze.

Nach welchen Kriterien erfolgt die Auswahl? Ist die Rendite von entscheidender Bedeutung?

Die Rendite spielt natürlich eine entscheidende Rolle. Wir haben für unsere verschiedenen Fonds unterschiedliche Vereinbarungen und Untergrenzen festgelegt. Wir kalkulieren auch, welchen Beitrag eine Immobilie zur Ausschüttung des Fonds leisten kann. Das ist ebenfalls eine wichtige Kennzahl, da wir etwa beim Publikumsfonds bestrebt sind, die Ausschüttung konstant zu halten. Darüber hinaus gibt es aber auch Volumengrenzen. Mit einer Due Diligence, also einer sehr gründlichen Prüfung vor dem Ankauf, entstehen Aufwand und Kosten, etwa für Rechtsanwälte und Berater. Aus diesem Grund lohnt es sich in der Regel nicht, unterhalb einer Grenze von 10 Mio. Euro Investmentvolumen den gesamten Prüfprozess in Gang zu setzen.

Wie lange dauert es denn in der Regel, bis es zur Unterzeichnung eines Kaufvertrags kommt?

Für uns ist eine sehr intensive Abstimmung in der Anfangsphase wichtig, bevor wir einen Letter of Intent, kurz LOI, unterzeichnen. Von der Unterzeichnung des LOI dauert es in der Regel sechs bis acht Wochen, bis wir beim Notar den Kaufvertrag unterschreiben. Dabei handelt es sich um eine relativ kurze Spanne. In dieser Zeit müssen wir alle erforderlichen Due Diligences durchführen und parallel den Kaufvertrag verhandeln. Außerdem müssen wir auch unsere Service-KVG und unsere Anleger – zumindest bei den Spezialfonds – abholen. Das ist dann immer eine sehr intensive Zeit, in der viele Prozesse parallel laufen.

Der Fokus der Ankäufe des FOKUS WOHNEN DEUTSCHLAND scheint fast nur noch auf Neubauprojekten zu liegen. Was ist mit Bestandsobjekten?

Derzeit ist es sehr schwierig, entsprechende Bestandsimmobilien zu bekommen, die preislich für unsere Anleger vertretbar sind. Im FOKUS WOHNEN DEUTSCHLAND wollen wir unsere Ausschüttung weiterhin konstant darstellen. Mit Bestandsimmobilien zu den aktuellen Preisen ist das sehr schwierig. Deshalb hat sich der Ankauf in den vergangenen Jahren immer mehr auf Projektentwicklungen verlagert. Über Forward-Deals können wir höhere Renditen realisieren.

Wenn Sie bei einem Entwickler kaufen, welchen Stellenwert nimmt dessen Erfahrung ein?

Für uns ist es sehr wichtig, dass es sich um einen Entwickler handelt, der stabil aufgestellt ist und gewährleistet, dass er die Projekte, die wir ankaufen, auch umsetzen kann. Deshalb haben wir in den vergangenen Jahren die bereits erwähnten Partnerschaften zu hochqualitativen Entwicklern aufgebaut. So ist auf beiden Seiten das erforderliche Vertrauen kontinuierlich gewachsen.

Wie gehen Sie mit neuen Projektentwicklern um, die noch nicht mit so vielen Referenzen glänzen können?

Natürlich schauen wir uns auch kleinere oder neue Marktteilnehmer an. Dabei kommt es auf das persönliche Gespräch an, um das Gegenüber einzuschätzen. Wir müssen ein Gefühl dafür bekommen, ob das Projekt auch realisiert werden kann. Dabei nimmt auch der Blick in die Kalkulation eine große Bedeutung ein. Wie realistisch erscheint uns diese? Wenn vorhanden, nehmen wir natürlich auch die Qualität der bereits realisierten Projekte unter die Lupe.

Bei neuen Entwicklern prüfen wir darüber hinaus auch, ob es beispielsweise einen Partner oder Geschäftsführer gibt, der vorher bereits bei einer renommierten Adresse längere Zeit gearbeitet und dort Projekte verantwortet hat. Außerdem hören wir uns auf dem Markt um und holen uns die Einschätzung anderer Marktteilnehmer ein.

Lassen Sie uns noch einen Blick zurückwerfen. Was hat sich in den vergangenen Jahren bei INDUSTRIA WOHNEN in Sachen Ankauf verändert?

In der Asset-Klasse Wohnimmobilien sind sehr viele neue Marktteilnehmer hinzugekommen. Hier muss man allerdings ergänzen, dass auch die Produktpalette größer geworden ist. So haben wir heute beispielsweise auch gefördertes Wohnen oder Serviced Apartments. Grundsätzlich hat die Geschwindigkeit zugelegt – sowohl bei der Umschlaghäufigkeit als auch bei der Abwicklung von Transaktionen. Dass in diesem Zeitraum die Preise deutlich gestiegen sind, ist bekannt. Hinzu kommen die deutlich gestiegenen Baukosten und die Engpässe bei Materialien. In dieser Gemenge­lage hilft uns unser gewachsenes Netzwerk enorm weiter. Dank dieses Netzwerks können wir Bieterverfahren oder Ähnliches vermeiden.

Über INDUSTRIA WOHNEN

INDUSTRIA WOHNEN ist seit über 65 Jahren als Wohnungsunternehmen und Immobilienmanager tätig. Der Portfoliomanager ist spezialisiert auf wohnwirtschaftliche Investitionen in Deutschland. INDUSTRIA WOHNEN erschließt privaten und institutionellen Anlegern Investitionen in wirtschaftsstarken Standorten im gesamten Bundesgebiet. Ein Paket aus Portfolio-, Asset- und Property-Management ergänzt das Angebot. Das durch INDUSTRIA WOHNEN in acht Immobilien-Spezialfonds und im offenen Publikums-Immobilienfonds „FOKUS WOHNEN DEUTSCHLAND“ verwaltete Vermögen institutioneller und privater Anleger sowie die im eigenen Bestand gehaltenen Objekte beliefen sich Ende 2020 auf 3,6 Mrd. Euro.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 12/2021 und in unserem ePaper.

Bild: © Богдан Скрипник – stock.adobe.com
Source: ImmoCompact