Lange war darüber diskutiert worden, ob eine SPD-geführte Koalition das Aus für das duale Gesundheitssystem bedeuten würde. Zum einen schreiben die gesetzlichen Kassen gerade seit der Corona-Pandemie jährlich rote Zahlen und haben mit immer größeren Milliarden-Defiziten zu kämpfen, sodass 2021 ein Rekord-Bundeszuschuss zur Nachfinanzierung der Gesundheitsausgaben notwendig wird. Zum anderen bescheinigen Umfragen unter den Versicherten dem dualen Gesundheitssystem regelmäßig hohe Zufriedenheitswerte. Noch Mitte Oktober hieß es dazu im Ergebnisbericht der Ampel-Sondierer: Die Abschaffung der privaten Krankenversicherung ist vom Tisch.
Erste Kehrtwende beim Thema Bürgerversicherung?
Und nun die kleine Kehrwende: Nach Angaben des Nachrichtenportals Business Insider verhandelt eine Arbeitsgruppe der künftigen Ampel-Koalitionäre aus SPD, Grüne und FDP aber nun doch über eine grundlegende Wechsel-Möglichkeit von Beamten in die gesetzliche Krankenversicherung; und zwar dann auf bundesweiter Ebene. Noch können Beamte nur zu Beginn ihrer Laufbahn zwischen gesetzlicher und privater Absicherung wählen. Danach kann hingegen nicht mehr ohne Weiteres gewechselt werden. Genau dieses fixe Wechseloption soll nun durch eine Neuregelung nachjustiert werden. Beamten soll so der Weg in die GKV erleichtert werden. Mit einer Wechsel-Möglichkeit dürfte sich die Situation vieler GKV-Kassen zumindest kurzfristig deutlich verbessern. Die privaten Versicherer dürfte die Entwicklung dagegen unter Druck setzen. Außerdem könnte diese Wende in den Koaltionsgesprächen ein erster, indirekter Schritt in Richtung Bürgerversicherung sein. Insbesondere die SPD drängt auf eine solche Option und versucht nun diesem Ziel über eine Implementierung von Teilschritten wie dieser GKV-Wechseloption näher zukommen. Die FDP steht einer Wechsel-Möglichkeit jedoch kritisch gegenüber. Die Grünen indes sollen den Punkt für sich als nicht koalitionsentscheidend eingestuft haben. Es liegt also an SPD und FDP, sich zu einigen. Diese Einigung sollen nach Medienbericht ab heute die Hauptverhandler um die bisherigen Partei- und Fraktionschefs übernehmen.
Vorbild Hamburger Modell?
Mehrere Bundesländer, darunter Hamburg, Bremen, Brandenburg und Thüringen haben bereits auf Landesebene solche Wechselmodelle bei Beamten eingeführt. Auch bekannt als „Hamburger Modell“ bieten sie neuen Beamten die Möglichkeit, sich für eine GKV-Mitgliedschaft zu entscheiden. Dafür bekommen die Beamten einen Arbeitgeberzuschuss als „pauschale Beihilfe“. Im Gegenzug müssen die Beamten allerdings ihren Anspruch auf individuelle Beihilfe unwiderruflich aufgeben. Aus Sicht des PKV-Verbandes kommt deutliche Kritik an diesem Modell: Zunächst sähen sich Beamte, die in die GKV wechseln, nach PKV-Angaben mit erheblichen Leistungsreduzierungen konfrontiert. Außerdem entstünden für PKV-versicherte Beamte mit Blick auf die gesamte Lebenszeit in der Regel Beitragsvorteile im Vergleich zu einer GKV-Mitgliedschaft. Nicht zuletzt, so moniert der PKV-Verband in seiner Bewertung des Hamburger-Modells weiter, kämen auf die GKV zusätzliche finanzielle Belastungen zu, da insbesondere Beamtenhaushalte mit geringem Einkommen und Kindern von einem GKV-Wechsel profitieren dürften. Allerdings sei es unwahrscheinlich, dass diese Haushalte einen kostendeckenden Beitrag in die GKV leisten würden. Damit würde die demografisch-bedingte, labile Finanzierungsbasis der GKV weiter belastet. Unpopuläre Beitragserhöhungen, aber auch weiter steigende Steuerzuschüsse aus Haushaltsmitteln des Bundes stünden wiederholt zur Diskussion. (as)
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