Weltweit haben Extremwetterereignisse in den letzten Jahren zugenommen. Daher stellt sich für die Gesellschaft im Allgemeinen, im besonderen aber gerade für die Versicherungswirtschaft die Frage nach der Versicherbarkeit von Großschadenereignissen wie das der Sturzflut in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz im Sommer 2021. Und eine Idee liegt nun schon bereits seit geraumer Zeit auf dem Tisch: die Einführung einer Pflichtversicherung gegen Elementarrisiken.

Denn die Fakten scheinen auf den ersten Blick klar. Noch immer ist nach aktuellen Zahlen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) lediglich die Hälfte der Gebäude in Deutschland gegen Naturgefahren wie Hochwasser oder Starkregen versichert. In manchen Bundesländern wie Bremen oder Niedersachsen beträgt die Zahl der versicherten Gebäude nicht einmal ein Drittel. Daher beschäftigte sich die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) auf ihrer diesjährigen Jahrestagung auch mit den Implikationen einer Pflichtversicherung.

Pflichtversicherung ist keine Universallösung

Allerdings greife eine Pflichtversicherung gegen Elementarrisiken nach Auffassung der DAV zu kurz. Dr. Matthias Land, Vorsitzender des Ausschusses Schadenversicherung bei der DAV, meint: „Eine Pflichtversicherung kann für sich genommen ohnehin keine Universallösung sein. Aber ob man nun für oder gegen eine Pflichtversicherungslösung ist: Es sollte klar sein, dass sich alle Beteiligten auf die erwartbaren Zukunftsszenarien vorbereiten müssen.“ Mit Blick auf die Aktuare bei den Versicherern gehöre es zum Beispiel dazu, Gebäudeversicherungsprodukte entsprechend zu konzeptionieren. Denkbar seien etwa solche Lösungen, die auch die Eigenverantwortung der Versicherungsnehmer stärker mit einbeziehen, zum Beispiel über höhere Selbstbehalte. „Auf die Art könnten die Prämien auch in Zukunft auf einem erträglichen Maß gehalten werden“, so Land weiter.

Versicherer sprechen sich weiterhin für Opt-out aus

Und auch auf großer Bühne wurde die Debatte über eine Pflichtversicherung unter Vertretern von Rückversicherern, Versicherern, Landespolitik, Stadtforschung und Wirtschaft während der DAV-Jahrestagung munter weitergeführt. Über das Ziel einig waren sich dabei alle Diskussionsteilnehmer: So viele Gebäude wie möglich, müssen in die Elementarschutzversicherung gebracht werden. Nur über das „Wie“ war man indes geteilter Meinung.

Wirtschaft und Versicherer sehen überwiegend die Immobilienbesitzer in der Verantwortung, sich um passenden Versicherungsschutz und geeigneten Präventionsmaßnahmen zu sorgen. Frank Sommerfeld, Vorstandsvorsitzender der Allianz Versicherungs-AG und Aktuar, sprach sich dabei erneut für die vom GDV vorgeschlagene Opt-out Regel aus. Demnach würde den Immobilienbesitzern eine Elementarschutzpolice angeboten. Sie könnten allerdings aktiv gegen eine solche Versicherung widersprechen – und im Gegenzug auf Hilfen im Elementarschadenfall verzichten. Nur unter den rechtlichen Rahmenbedingungen sei eine solche Anbündelung des Elementarschutzes im Bestandskundenbereich nicht möglich, so Sommerfeld weiter.

Bewusstsein für Elementarrisiken kaum vorhanden

Wissenschaftler sind hingegen anderer Ansicht. Denn das Gefährdungsbewusstsein innerhalb der Bevölkerung sei aktuell viel zu gering ausgeprägt. Und die Auslösung einer Verhaltensänderung durch verbesserte Aufklärung und Beratung genüge nicht. Daher brauche es eine Pflichtversicherung. Eine ähnliche Sichtweise brachte auch die Politik an. Allerdings wolle man mit der Pflichtversicherung keine Einheitsprämie. Vielmehr habe die Prämienhöhe sehr wohl Lenkungsfunktion bei der Gefährdungsbeurteilung eines Immobilienstandortes. (as)

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