Ein Artikel von Robert Halver, Managing Director und Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG
Es ist ein Leichtes, aus Corona-Varianten konjunkturelle Desaster mit Hollywood-Dramaturgie auch an den Aktienmärkten herzuleiten. Aber warum sollten „smarte“ Viren die Wirte meucheln und so ihre Vermehrung behindern? Sie müssten doch das größte Interesse daran haben, nur leichtere Krankheitsverläufe nach sich zu ziehen und dramatisch ansteckend sein, damit die vorhergehend gefährlicheren Varianten in die Defensive geraten. Könnte also ausgerechnet Omikron – auf das diese zwei Charakteristika passen – dazu führen, dass wir Corona zukünftig besser im Griff haben? Hoffnung ist zumindest angesagt, zumal mit weiteren medizinischen Fortschritten zu rechnen ist.
Konjunktur wird nachgeholt
Unabhängig davon müsste die Politik mit der Muffe gepufft sein, wenn sie die Wirtschaft erneut generell schließen würde. Allenfalls ist von partiellen Schließungen auszugehen, damit der Aufschwung möglichst wenig gestört wird. Überhaupt, das, was bislang konjunkturell wegen Flaschenhälsen bei Vorprodukten nicht zu Wachstum führen konnte, wird ab Frühjahr 2022 nachgeholt, wenn die Engpässe wieder nachlassen.
Was für eine positive Aktienentwicklung spricht
Ohnehin sind die langfristigen Fundamentalaussichten für Aktien vielversprechend. Mit der industriellen Revolution 4.0 und der Dekarbonisierung erleben wir gleich zwei dramatische Strukturbrüche, die der Weltwirtschaft noch lange reichlich Nahrung geben. Insofern kommen auch Hightech- und Klimaschutz-Titel in den Genuss einer beständigen Sonderkonjunktur.
Nicht zuletzt hält die ausbleibende Renaissance von attraktiven Zinsen – unter anderem wegen Überschuldung und Verhinderung einer Euro-Sklerose – den Anlagenotstand pro Aktien aufrecht. Übrigens kauft man Anleihen erst dann, wenn die Zinsen den Gipfel erreicht haben. Denn nur so kommt man neben dem soliden Kupon auch noch in den Genuss von Kursgewinnen. Erschwerend für Zinssparer kommt die Inflation hinzu, die von den Notenbanken nicht kompensiert wird, um Entschuldung zu ermöglichen. Das ist keine Altersvor-, sondern „Altersentsorge“. Für Aktien als Sachkapital hingegen wirkt die nicht bekämpfte Inflation wie ein starker Anschieber beim Bobfahren.
Mit höheren Schwankungen ist zu rechnen
Die Schwankungen bei Aktien werden jedoch zunehmen. Schwarze Schwäne sterben nicht aus. Wer hätte denn jemals mit Corona gerechnet? Ebenso ist geostrategisch einiges im Argen. Das Verhältnis der USA zu China bzw. zu Russland ist wahrlich keine Liebesbeziehung.
Aber Kursschwankungen sind nicht per se nur schlecht. Ist man von Einzeltiteln nachhaltig überzeugt, sollte man sie bei vorübergehenden Börsenturbulenzen auf keinen Fall schmeißen. Ein Beziehungsstreit führt ja auch nicht unweigerlich zur Trennung. Und so sollte man auch seine liebsten Aktien nachkaufen, zu einem günstigeren Preis. Versöhnung kann doch so schön sein.
Und bevor man gar nichts tut, setzt man auf regelmäßige Sparpläne, die mit überschaubaren Beiträgen nicht schmerzen und längerfristig eine ordentliche Vermögensposition mit hoher Durchschnittsrendite bieten.
Auch 2022 führt an Aktien kein Weg vorbei. Es spricht nichts dagegen, dass der Dax die 17.000-Marke knackt. Glück auf!
Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 01/2022, S. 77, und in unserem ePaper.
Bild: © Thomas – stock.adobe.com
Source: ImmoCompact