Ein Artikel von Prof. Dr. Matthias Beenken, Professor am Fachbereich Wirtschaft der Fachhochschule Dortmund
Die neue Bundesregierung hat sich tiefgreifende Reformen vorgenommen. In der gesetzlichen Rentenversicherung sollen die Leistungen trotz fortschreitender Demografie stabilisiert und das Rentenalter eingefroren werden. Die Finanzierung bleibt allerdings unklar. Hinzu kommt ein öffentlich verwaltetes Kapitaldeckungselement, das mit 10 Mrd. Euro Anschubfinanzierung ausreichen wird, jedem Rentner 1 Euro Rente im Monat zu sichern – so wird Altersarmut bestimmt nicht verhindert.
Vage Aussagen zur Finanzierung von Sozialreformen
Ein öffentlich verwalteter Bürgerfonds soll als Alternative zur privaten Altersvorsorge etabliert werden. Durch Opting-out möchte die Ampelkoalition die betriebliche Altersvorsorge stärken.
Geprüft wird die Einführung einer freiwilligen, paritätisch finanzierten Vollversicherung in der gesetzlichen Pflegeversicherung. Auch in der Erwerbsminderungsrente möchte man Verbesserungen vorsehen, ohne ins Detail zu gehen. Zusammenfassend sinkt die Relevanz privater Versicherungsgesellschaften und mit ihnen der Versicherungsvermittler, sie werden auf einen kleinen Markt von Luxus-Absicherungen reduziert.
Allerdings sind die Aussagen im Koalitionsvertrag zur Finanzierung der Sozialreformen derart vage und die Kassen nach der Corona-Pandemie so angespannt, dass noch Hoffnung besteht, der Kelch einer Vergesellschaftung großer Teile des Vorsorgegeschäfts könnte vorübergehen.
Transformation zur Klimaneutralität unterstützen
Absurd erscheint, dass Versicherer und Vermittler gleichzeitig vor den Karren des Europäischen Green Deals gespannt und verpflichtet werden, eine Umschichtung von Kapital in nachhaltige Investments unter anderem zur Bekämpfung des Klimawandels zu fördern. Ohne Einkommensaussicht ist das ein sinnloses Anliegen. Die neue Bundesregierung sollte rasch auf den Boden der Realität zurückkehren und verstehen, dass sie Unternehmer und Märkte als Partner und nicht als Gegner braucht. Sonst wird das nichts mit der größten Transformation der Realwirtschaft in der Neuzeit.
Die Aufgabe, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen und Deutschland bis 2045 klimaneutral werden zu lassen, ist riesig. Dahinter müssen Partikularinteressen von honorarberatenden Verbraucherschutzinstitutionen zurückstehen, die Forderungen nach Provisionsverbot und Honorarordnung in den Wahlkampf platzieren konnten. Denn diese wenigen Berater und Vereine werden es nicht schaffen, „von Tür zu Tür“ zu gehen und die Kundinnen und Kunden mit Nachdruck zu beraten, ihr Geld nachhaltig zu investieren.
Branche muss in Sachen Nachhaltigkeit liefern
Für die Branche ist wichtig, dass sie nun ihrerseits „liefern“ muss. Seit März 2021 sind die Nachhaltigkeitsstrategien offenzulegen. Spätestens ab 02.08.2022 müssen Eignungsprüfungen beim Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten um Fragen zu Nachhaltigkeitspräferenzen ergänzt werden.
Diesem Thema sollten sich vor allem Maklerinnen und Makler stellen und der Politik beweisen, dass sie sehr wohl und sehr erfolgreich Beratung im bestmöglichen Kundeninteresse beherrschen. Außerdem könnten sie sich geschmeidiger beim Thema Vergütung zeigen und Nettotarife ins Angebot aufnehmen, die sich selbst in Niedrigstzinszeiten noch für den Kunden lohnen. Faire Honorare ersetzen dann die geschmähte Provision.
Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 01/2022, S. 72, und in unserem ePaper.
Bild: © Khongtham – stock.adobe.com
Source: ImmoCompact