Interview mit Ralph Rockel, Vorstand der Mesterheide Rockel Hirz Trowe AG Holding (MRH Trowe)
Herr Rockel, der Maklermarkt konsolidiert sich. Die Dynamik nimmt immer mehr zu, oder?

Das ist richtig. Die Branche hat diese Konsoli­dierung seit einigen Jahren erwartet, aber erst seit rund anderthalb Jahren hat diese Entwicklung Fahrt aufgenommen. Der Kapitalmarkt ist momentan sehr liquide. Das heißt: Es ist viel Kapital im Markt, und das sucht seine Anlagemöglichkeiten. Doch dafür muss es auch einen entsprechenden Verkäufermarkt geben.

Wir haben im Jahr 2008 das erste Mal einen Versicherungsmakler gekauft. Das lief damals noch unterhalb des Radars. Damals gab es noch keinen „offenen Markt“. Doch aufgrund verschiedener äußerer Rahmenbedingungen gibt es inzwischen viel mehr Agierende, die sagen, sie wollen ihr Unternehmen verkaufen.

Welche äußeren Rahmenbedingungen meinen Sie?

Es gibt immer mehr Makler, die einen Investitionsdruck verspüren, den sie nicht mehr mitgehen können oder wollen – insbesondere im Bereich Digitalisierung. Dazu kommen regulatorische Rahmen- und natürlich auch Marktbedingungen. Zudem werden bei knapperen Kapazitäten auch die Verhandlungen mit Versicherern schwieriger. Dadurch wird es komplexer, die Mandantenbelange zu befriedigen.

Demografie, Innovationsdruck und die Entwicklung zu einem professionalisierten Einkaufsverhalten auf Mandantenseite führen zu einem Wettbewerb auf höherem Niveau. Das fördert wiederum den Wachstumsdruck, und das veranlasst Makler, sich mit strategischen Fragestellungen zu beschäftigen.

Vor allem interessiert die Unternehmer dabei, wie es mit ihren Kunden und Mitarbeitern weitergeht. Diese haben sie so lange begleitet, und hierfür brauchen sie Lösungen.

Das ist die Verkäuferseite. Stehen denn die Käufer Schlange?

Aus meiner Sicht gibt es sechs bis sieben Akteure, die sich mit einer etwas höheren Frequenz auch anorganisch weiterentwickeln wollen. Dies war früher nur den sehr großen, oft internationalen Maklern vorbehalten. Die Nachfrage hat sich daher schon erhöht, doch das heißt nicht, dass die Käufer sich in einem Bieterverfahren gegenüberstehen.

Veräußerungswillige Versicherungsmakler sprechen also nicht mit mehreren Interessenten?

Doch, bestimmt. Aber der Versicherungsmakler sondiert erfahrungsgemäß sehr früh anhand verschiedenster Kriterien, was für ihn die richtige Lösung sein könnte, und die verfolgt er dann auch.

MRH Trowe spielt einen aktiven Part in dieser ganzen Geschichte. Wie sieht Ihre Wachstumsstory aus?

Wir haben im Jahr 1998 MRH Trowe gegründet. Mein Partnerkollege, Lars Mesterheide, und ich haben mit seinem Vater angefangen. Wachstum war frühzeitig in­ unserer DNA verortet. Zunächst freut man sich über seinen ersten Kunden, bei dem hört man aber nicht auf. Nachdem wir uns regional sehr gut positioniert hatten und mit einigen Besonderheiten aufwarten konnten, haben wir überlegt, ob wir das Unternehmen nicht national erweitern können. 2002 ist Michael Hirz als weiterer Partner mit einer langjährigen Großmaklerexpertise zu uns gestoßen. Unsere ersten Akquisitionen, mit denen wir uns bundesweit, aber auch in Spezialitäten breiter aufgestellt haben, erfolgten in den Folgejahren weitestgehend aus der Opportunität heraus. Im Jahr 2016 haben wir unsere Geschäftsaktivitäten schließlich mit unserem heutigen Partnerkollegen, Maximilian Trowe gebündelt, der in dritter Generation das Unternehmen Trowe führte. So folgte der Ausbau über Düsseldorf, Berlin und Dresden zu einem bundesweit agierenden Maklerhaus.

2017 sind wir dann in eine neue Wachstumsphase eingetreten und haben begonnen, unser Geschäft nach gezielten strategischen und weniger opportunistischen Kriterien weiter auszubauen. Es ging nicht einfach darum, Volumen zu generieren, sondern weiße Flecken auf der Landkarte oder in Spezial-Know-how zu schließen, um ein ganzheitliches, aber spezialisiertes Angebotsportfolio für unsere Kunden zu entwickeln. Mit Marco Gerhardt haben wir seit 2020 einen weiteren strategischen Kopf im Partnerteam, der mit seiner Erfahrung in der Umsetzung von Digitalisierungsstrategien, Betriebsorganisation und HR wie auch im Bereich M&A unser Unternehmen optimal ergänzt.

Sie machen das nicht allein, sondern mit einem britischen Private-Equity-Investor. Woher kommt dessen Interesse am deutschen Maklermarkt?

In London ist die Finanzindustrie sehr professionalisiert und interdisziplinär vernetzt. Das heißt, Banking, Investmentbanking, aber auch diverse Brokerage-Dienstleistungen, unter anderem Versicherungsmakler, sind dort sehr verzahnt. Private Equity hat sehr früh das Thema Versicherungsmakler verstanden und verschiedene Modelle, insbesondere in UK, unterstützt.

Sowohl in UK als auch im US-amerikanischen Markt findet man unter den Top-20-Maklerhäusern fast kein 100% unabhängiges Maklerhaus mehr. Die meisten haben einen Private-Equity-Partner an ihrer Seite oder sie sind an den Börsen gelistet. Private Equity kennt das Modell und durch die starke Konsolidierungswelle im deutschen Markt finden die Investoren nun auch hier Interessenten, um gemeinsam neue Maklerplattformen zu entwickeln.

Es ist ein sehr sicheres Investitionsobjekt, da der Geschäftsverlauf bei den Maklern stabil ist. Um unsere Wachstumsstrategie ambitioniert verfolgen zu können, war es uns jedoch wichtig, einen Investor zu finden, der unser Business versteht.

Können Sie uns was über Investi­tionssummen sagen?

Nein. Darüber ist Stillschweigen vereinbart worden. Doch wir sind weiterhin mehrheitlich inhabergeführt. Wir Partner halten die Mehrheit der Anteile. Entscheidend sind aber weniger die Mehrheitsverhältnisse als der konstruktive Dialog zwischen Investor und Inhaber. Wir haben einen wöchentlichen Austausch, in dem wir über das laufende Geschäft sprechen. Da unser Investor den Versicherungsmarkt sehr gut kennt, ist dieser Austausch sehr partnerschaftlich und auf Augenhöhe.

Was qualifiziert Ihr Unternehmen dafür, als eine solche Plattform, wie Sie es vorhin nannten, zu fungieren?

Private Equity ist für ambitionierte Unternehmer, die sich weiterentwickeln wollen, meiner Erfahrung nach eine Frischzellenkur. Wer mit einem Investor erfolgreich sein will, braucht vor allem Expertise auf seinem Fachgebiet. Man muss als Broker sein Handwerkszeug verstehen, und das sollte man wahrscheinlich auch in der Vergangenheit gezeigt haben. Dann sollte man eine saubere, organische Wachstumshistorie abbilden können, die darauf schließen lässt, dass man auch in Zukunft organisch wachsen wird. Man muss bewerten können, was man kauft, auf welcher Basis man es kauft und insbesondere, wie man es integriert. Der Unterschied liegt dabei in der Integration. Wir haben in der Vergangenheit bereits gezeigt, dass wir Integration können.

Was bedeuten diese Aktivitäten denn für den Maklermarkt? Wächst die Einkaufsmacht?

Wir haben den Eindruck, dass dieser Markt unfassbar belebt wurde. Der Markt beginnt, sich effizienter zu strukturieren. Dabei ist Einkaufsmacht ein schwerer Begriff. Wir sind Vermittler und wir müssen mindestens zwei Parteien zusammenbringen, also muss man kompromissfähig sein. Ein Makler, der ein großes Volumen repräsentiert, hat natürlich mehr Möglichkeiten, etwa individuelle Lösungen für Kunden mit Versicherern zu besprechen und dann auch umzusetzen.

Der Nachteil ist, dass das Angebot an Maklern kleiner wird.

So weit sind wir noch lange nicht. Die Frage ist, ob es für eine Volkswirtschaft sinnvoll ist, eine so hohe Anzahl gut ausgebildeter Fachkräfte in einer fragmentierten Struktur vorzufinden. Die Struktur ist definitiv ineffizient. Wenn 40.000 Maklerbetriebe ihre Firma administrieren müssen, dann geht viel Kapazität verloren, die nicht auf die Mandantenschnittstelle investiert wird.

Daher glaube ich, dass diese Form der Konsolidierung am Ende dazu führen wird, dass es eine Professionalisierung gibt, die sich hoffentlich auch in besseren Konzepten und höherer Beratungsqualität an den Kundenschnittstellen auswirken wird. Ich glaube nicht, dass wir Sorge haben müssen, dass dadurch der Wettbewerb ein­geschränkt ist.

Dann noch einmal zu Ihrem Unternehmen. Wie sieht Ihre Struktur nun aus?

Wir sind schon immer von konsequenter Spezialisierung überzeugt gewesen. Bei uns ist das Kompositversicherungsmakler-­Know-how getrennt vom Know-how zu betrie­blicher Versorgung oder auch zu Kreditversicherung und Factoring. Innerhalb dieser Geschäftsfelder haben wir verschiedene zielgruppenorientierte Geschäftsbereichsstrategien. Wir wollen dementsprechend im Rahmen unserer strategischen Geschäftsfelder Insurance, Benefits, Finance jede Zielgruppe ganzheitlich bedienen.

Das kann dazu führen, dass in der jeweiligen ver­sicherungstechnischen Umsetzung etwa für ein Logistikunternehmen andere Lösungen entstehen als für ein IT-Unternehmen. Und auch die Added Values, die man darum kreiert, vielleicht durch Digitalisierung, können unterschiedlich aussehen.

Wir versuchen dort, wo wir weiße Flecken haben – auch bezüglich Personalressourcen – anorganische Opportunitäten wahrzunehmen, um die Ressourcen herzustellen. Wir alle wissen um den Fachkräftemangel. Manchmal muss man den Personalbedarf teilweise auch durch eine anorganische Aktivität plus effizienzsteigernde Maßnahmen decken.

Welche Zugeständnisse muss das Maklerunter­nehmen, das zu Ihnen kommt, machen?

In aller Regel sind das alles sehr erfolgreiche Unternehmen. Manchmal gibt es aber Bereiche, die vielleicht ineffizient laufen oder nicht mit der letzten tiefen Kenntnis versehen sind. Dort versuchen wir, unser Know-how anzupflanzen, und helfen mit unserem Team, den entsprechenden Kunden weitere Mehrwerte zu bieten in Feldern, die vorher nicht besetzt waren.

Sie sind dann eher Kompetenzzentrum als Backoffice?

Der Prozess passiert in zwei Layern. Wir fangen in der Holding mit professioneller Unterstützung in den typischen Managementdienstleistungen an. In unserer Holding sind es heute 55 Kolleginnen und Kollegen, die im Bereich der kaufmännischen und juristischen Themen, aber insbesondere in den Schlüsselthemen IT und Human Resources, unterstützen. Neben dem Management-Layer gibt es noch den operativen Layer, der den Zugang zu unseren Spezialisten und deren Know-how darstellt.

Was ändert sich alles für das Maklerunternehmen? Die IT?

IT ist eine wichtige Fragestellung. Wir glauben daran, dass der Mehrwert durch eine Form von Integration entsteht. Integration hat nach unserer Erfahrung zwei Dimensionen. Nach unserer Überzeugung geht es darum, prozessual und kulturell zu integrieren. Eine prozessuale Integration führt über kurz oder lang dazu, dass eine einheitliche IT-Plattform erforderlich ist. Wir sind überzeugt davon, dass der maximale Mehrwert dann gehoben wird, wenn man auf einem System arbeitet. Übrigens, dieser Überzeugung hat noch nie jemand widersprochen.

Wesentlich ist auch die kulturelle Integration. Schließlich geht es um Menschen. Es geht darum, eine Marke zu entwickeln, und zwar nicht durch ein Logo, sondern beispielsweise durch einheit­liche Führungslogiken und -philosophien. Wir haben zum Beispiel in diesem Jahr ein Leadership-Team und ein Talentprogramm implementiert. Das alles zahlt in einer gewissen Weise auf eine kulturelle Integration ein.

Behalten die Unternehmen ihren Namen?

Das ist eine häufig gestellte Frage. Die Antwort lautet: Es kommt darauf an. Wenn ein Makler inhaltlich genau das Gleiche macht wie wir und bundesweit bereits stark ist, dann ist die Perspektive, dass die Strukturen irgendwann in einem gemeinsamen Orga-Chart integriert werden, was auch zu einer Verschmelzung auf einen Rechtsträger führen kann. Aber es gibt auch Fälle, wo ein Unternehmen sehr spezialisiert ist und eine eigene Marke ist und sinnvollerweise bleibt.

Was ist mit dem Maklerunternehmer selbst?

Die Fragestellung zur persönlichen Motivations­lage wird zu einem sehr frühen Zeitpunkt gestellt und intensiv behandelt. Einerseits geht es um Vertrauen: Manche wollen ihre Nachfolge regeln, aber wir sind insbesondere darauf ausgerichtet, mit Unternehmerpersönlichkeiten und Teams etwas gemeinsam weiterentwickeln zu wollen.

Welche Zielsetzungen haben Sie gemeinsam mit dem Investor?

Unser Ziel ist es, dass wir uns umsatzmäßig bis 2025 verdoppeln. Ich denke, dass wir das deutlich früher erreichen können. Zudem wollen wir unsere Präsenz in den Schlüsselregionen ausbauen. Wir wollen an der Mandantenschnittstelle ganzheitlich, international spezialisiert und mit digitalem Mehrwert agieren. Und wir wollen eine führende Arbeitgebermarke in unserer Peer Group sein und uns mit Innovationen abheben.

Und die Investition möchten Sie langfristig behalten?

Jedes Investment von einem Finanzinvestor ist primär darauf angelegt, Rendite zu generieren. In der Regel haben Investoren einen Zeithorizont als Plan. Unser Ziel ist, dass wir langfristig den Broker entwickeln. Das tun wir mit dem für uns richtigen Partner an der Seite. Wir selbst denken langfristig. Wir haben Leidenschaft für die Mandantenschnittstelle und wollten nie einen anderen Beruf ausüben. Wir lieben, was wir tun.

Bis 2025 ist es nicht mehr lange hin. Gibt es darüber hinaus schon Planungen?

Nein, das wäre sehr früh. Wir schauen konsequent nach vorne und machen unsere Hausaufgaben.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 12/2021, S. 102 ff., und in unserem ePaper.

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Source: ImmoCompact